Rocks wie Feuerflammen nachzogen. So hatte er ziemlich das Ansehen eines feurigen Mannes, der unter dem gestohlenen Sacke büßt; Friedrich ihm nach, fein und schlank für sein Alter, mit zarten, fast edlen Zügen und langen blonden Locken, die besser gepflegt waren, als sein übriges Aeußeres er- warten ließ; übrigens zerlumpt, sonnenverbrannt und mit dem Ausdrucke der Vernachlässigung und einer gewissen rohen Melancholie in den Zügen. Dennoch war eine große Familienähnlichkeit Beider nicht zu verkennen, und wie Friedrich so langsam seinem Führer nachtrat, die Blicke fest auf denselben geheftet, der ihn gerade durch das Seltsame seiner Erscheinung anzog, erinnerte er unwillkürlich an Jemand, der in einem Zauberspiegel das Bild seiner Zukunft mit verstörter Aufmerksamkeit betrachtet.
Jetzt nahten die Beiden sich der Stelle des Teutoburger Waldes, wo das Brederholz den Ab- hang des Gebirges niedersteigt und einen sehr dun- keln Grund ausfüllt. Bis jetzt war wenig gesprochen worden. Simon schien nachdenkend, der Knabe zer- streut, und Beide keuchten unter ihren Säcken. Plötzlich fragte Simon: "Trinkst du gern Brannt- wein?" -- Der Knabe antwortete nicht. "Ich frage, trinkst du gern Branntwein? gibt dir die Mutter zuweilen welchen?" -- "Die Mutter hat selbst keinen," sagte Friedrich. -- "So, so, desto besser! --
Rocks wie Feuerflammen nachzogen. So hatte er ziemlich das Anſehen eines feurigen Mannes, der unter dem geſtohlenen Sacke büßt; Friedrich ihm nach, fein und ſchlank für ſein Alter, mit zarten, faſt edlen Zügen und langen blonden Locken, die beſſer gepflegt waren, als ſein übriges Aeußeres er- warten ließ; übrigens zerlumpt, ſonnenverbrannt und mit dem Ausdrucke der Vernachläſſigung und einer gewiſſen rohen Melancholie in den Zügen. Dennoch war eine große Familienähnlichkeit Beider nicht zu verkennen, und wie Friedrich ſo langſam ſeinem Führer nachtrat, die Blicke feſt auf denſelben geheftet, der ihn gerade durch das Seltſame ſeiner Erſcheinung anzog, erinnerte er unwillkürlich an Jemand, der in einem Zauberſpiegel das Bild ſeiner Zukunft mit verſtörter Aufmerkſamkeit betrachtet.
Jetzt nahten die Beiden ſich der Stelle des Teutoburger Waldes, wo das Brederholz den Ab- hang des Gebirges niederſteigt und einen ſehr dun- keln Grund ausfüllt. Bis jetzt war wenig geſprochen worden. Simon ſchien nachdenkend, der Knabe zer- ſtreut, und Beide keuchten unter ihren Säcken. Plötzlich fragte Simon: „Trinkſt du gern Brannt- wein?“ — Der Knabe antwortete nicht. „Ich frage, trinkſt du gern Branntwein? gibt dir die Mutter zuweilen welchen?“ — „Die Mutter hat ſelbſt keinen,“ ſagte Friedrich. — „So, ſo, deſto beſſer! —
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Rocks wie Feuerflammen nachzogen. So hatte er
ziemlich das Anſehen eines feurigen Mannes, der
unter dem geſtohlenen Sacke büßt; Friedrich ihm
nach, fein und ſchlank für ſein Alter, mit zarten,
faſt edlen Zügen und langen blonden Locken, die
beſſer gepflegt waren, als ſein übriges Aeußeres er-
warten ließ; übrigens zerlumpt, ſonnenverbrannt
und mit dem Ausdrucke der Vernachläſſigung und
einer gewiſſen rohen Melancholie in den Zügen.
Dennoch war eine große Familienähnlichkeit Beider
nicht zu verkennen, und wie Friedrich ſo langſam
ſeinem Führer nachtrat, die Blicke feſt auf denſelben
geheftet, der ihn gerade durch das Seltſame ſeiner
Erſcheinung anzog, erinnerte er unwillkürlich an
Jemand, der in einem Zauberſpiegel das Bild ſeiner
Zukunft mit verſtörter Aufmerkſamkeit betrachtet.
Jetzt nahten die Beiden ſich der Stelle des
Teutoburger Waldes, wo das Brederholz den Ab-
hang des Gebirges niederſteigt und einen ſehr dun-
keln Grund ausfüllt. Bis jetzt war wenig geſprochen
worden. Simon ſchien nachdenkend, der Knabe zer-
ſtreut, und Beide keuchten unter ihren Säcken.
Plötzlich fragte Simon: „Trinkſt du gern Brannt-
wein?“ — Der Knabe antwortete nicht. „Ich frage,
trinkſt du gern Branntwein? gibt dir die Mutter
zuweilen welchen?“ — „Die Mutter hat ſelbſt
keinen,“ ſagte Friedrich. — „So, ſo, deſto beſſer! —
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/178>, abgerufen am 28.12.2024.
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