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Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mond schien, sah man ihn im Schnee auf dem Kirchhofe umherhumpeln; er betete bei keinem Grabe, ging auch an keines dicht hinan, aber auf einige schien er aus der Ferne starre Blicke zu heften. So fand ihn der Förster Brandes, der Sohn des Erschlagenen, den die Gutsherrschaft abgeschickt hatte, ihn ins Schloß zu holen.

Beim Eintritt in das Wohnzimmer sah er scheu umher, wie vom Licht geblendet, und dann auf den Baron, der sehr zusammengefallen in seinem Lehnstuhl saß, aber noch immer mit den hellen Augen und dem rothen Käppchen auf dem Kopfe, wie vor achtundzwanzig Jahren; neben ihm die gnädige Frau, auch alt, sehr alt geworden.

Nun, Johannes, sagte der Gutsherr, erzähl mir einmal recht ordentlich von deinen Abenteuern. Aber, er musterte ihn durch die Brille, du bist ja erbärmlich mitgenommen in der Türkei. --

Johannes begann: wie Mergel ihn Nachts von der Heerde abgerufen und gesagt, er müsse mit ihm fort. -- Aber warum lief der dumme Junge denn? Du weißt doch, daß er unschuldig war? -- Johannes sah vor sich nieder: Ich weiß nicht recht, mich dünkt, es war wegen Holzgeschichten. Simon hatte so allerlei Geschäfte; mir sagte man nichts davon, aber ich glaube nicht, daß Alles war, wie es sein sollte. -- Was hat denn Friedrich dir gesagt? -- Nichts, als daß wir laufen müßten, sie wären hinter uns her. So liefen

Mond schien, sah man ihn im Schnee auf dem Kirchhofe umherhumpeln; er betete bei keinem Grabe, ging auch an keines dicht hinan, aber auf einige schien er aus der Ferne starre Blicke zu heften. So fand ihn der Förster Brandes, der Sohn des Erschlagenen, den die Gutsherrschaft abgeschickt hatte, ihn ins Schloß zu holen.

Beim Eintritt in das Wohnzimmer sah er scheu umher, wie vom Licht geblendet, und dann auf den Baron, der sehr zusammengefallen in seinem Lehnstuhl saß, aber noch immer mit den hellen Augen und dem rothen Käppchen auf dem Kopfe, wie vor achtundzwanzig Jahren; neben ihm die gnädige Frau, auch alt, sehr alt geworden.

Nun, Johannes, sagte der Gutsherr, erzähl mir einmal recht ordentlich von deinen Abenteuern. Aber, er musterte ihn durch die Brille, du bist ja erbärmlich mitgenommen in der Türkei. —

Johannes begann: wie Mergel ihn Nachts von der Heerde abgerufen und gesagt, er müsse mit ihm fort. — Aber warum lief der dumme Junge denn? Du weißt doch, daß er unschuldig war? — Johannes sah vor sich nieder: Ich weiß nicht recht, mich dünkt, es war wegen Holzgeschichten. Simon hatte so allerlei Geschäfte; mir sagte man nichts davon, aber ich glaube nicht, daß Alles war, wie es sein sollte. — Was hat denn Friedrich dir gesagt? — Nichts, als daß wir laufen müßten, sie wären hinter uns her. So liefen

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[0071] Mond schien, sah man ihn im Schnee auf dem Kirchhofe umherhumpeln; er betete bei keinem Grabe, ging auch an keines dicht hinan, aber auf einige schien er aus der Ferne starre Blicke zu heften. So fand ihn der Förster Brandes, der Sohn des Erschlagenen, den die Gutsherrschaft abgeschickt hatte, ihn ins Schloß zu holen. Beim Eintritt in das Wohnzimmer sah er scheu umher, wie vom Licht geblendet, und dann auf den Baron, der sehr zusammengefallen in seinem Lehnstuhl saß, aber noch immer mit den hellen Augen und dem rothen Käppchen auf dem Kopfe, wie vor achtundzwanzig Jahren; neben ihm die gnädige Frau, auch alt, sehr alt geworden. Nun, Johannes, sagte der Gutsherr, erzähl mir einmal recht ordentlich von deinen Abenteuern. Aber, er musterte ihn durch die Brille, du bist ja erbärmlich mitgenommen in der Türkei. — Johannes begann: wie Mergel ihn Nachts von der Heerde abgerufen und gesagt, er müsse mit ihm fort. — Aber warum lief der dumme Junge denn? Du weißt doch, daß er unschuldig war? — Johannes sah vor sich nieder: Ich weiß nicht recht, mich dünkt, es war wegen Holzgeschichten. Simon hatte so allerlei Geschäfte; mir sagte man nichts davon, aber ich glaube nicht, daß Alles war, wie es sein sollte. — Was hat denn Friedrich dir gesagt? — Nichts, als daß wir laufen müßten, sie wären hinter uns her. So liefen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:10:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T14:10:05Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/71>, abgerufen am 02.05.2024.