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Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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dertmal gesagt, Ihr hättet all Eu'r Gut am Leibe und kein Brod im Schranke! -- Die Tenne tobte von Gelächter; Manche hatten sich auf den Hof nachgedrängt. -- Packt den Juden! wiegt ihn gegen ein Schwein! riefen Einige; Andere waren ernst geworden. -- Der Friedrich sah so blaß aus wie ein Tuch, sagte eine alte Frau, und die Menge theilte sich, wie der Wagen des Gutsherrn in den Hof lenkte. Herr von S. war auf dem Heimwege verstimmt, die jedesmalige Folge, wenn der Wunsch, seine Popularität aufrecht zu erhalten, ihn bewog, solchen Festen beizuwohnen. Er sah schweigend aus dem Wagen. Was sind denn das für ein paar Figuren? -- Er deutete auf zwei dunkle Gestalten, die vor den Wagen rannten wie Strauße. -- Auch ein paar selige Schweine aus unserm eigenen Stall! seufzte Herr von S. -- Zu Hause angekommen, fand er die Hausflur vom ganzen Dienstpersonal eingenommen, das zwei Kleinknechte umstand, welche sich blaß und athemlos auf der Stiege niedergelassen hatten. Sie behaupteten, von des alten Mergel's Geist verfolgt worden zu sein, als sie durchs Brederholz heimkehrten. Zuerst hatte es über ihnen an der Höhe gerauscht und geknistert; darauf hoch in der Luft ein Geklapper, wie von aneinander schlagenden Stöcken; plötzlich ein gellender Schrei und ganz deutlich die Worte: O weh, meine arme Seele! hoch von oben herab. Der Eine wollte auch glühende Augen durch die Zweige funkeln gesehen haben, und Beide waren gelaufen, was ihre Beine vermochten.

dertmal gesagt, Ihr hättet all Eu'r Gut am Leibe und kein Brod im Schranke! — Die Tenne tobte von Gelächter; Manche hatten sich auf den Hof nachgedrängt. — Packt den Juden! wiegt ihn gegen ein Schwein! riefen Einige; Andere waren ernst geworden. — Der Friedrich sah so blaß aus wie ein Tuch, sagte eine alte Frau, und die Menge theilte sich, wie der Wagen des Gutsherrn in den Hof lenkte. Herr von S. war auf dem Heimwege verstimmt, die jedesmalige Folge, wenn der Wunsch, seine Popularität aufrecht zu erhalten, ihn bewog, solchen Festen beizuwohnen. Er sah schweigend aus dem Wagen. Was sind denn das für ein paar Figuren? — Er deutete auf zwei dunkle Gestalten, die vor den Wagen rannten wie Strauße. — Auch ein paar selige Schweine aus unserm eigenen Stall! seufzte Herr von S. — Zu Hause angekommen, fand er die Hausflur vom ganzen Dienstpersonal eingenommen, das zwei Kleinknechte umstand, welche sich blaß und athemlos auf der Stiege niedergelassen hatten. Sie behaupteten, von des alten Mergel's Geist verfolgt worden zu sein, als sie durchs Brederholz heimkehrten. Zuerst hatte es über ihnen an der Höhe gerauscht und geknistert; darauf hoch in der Luft ein Geklapper, wie von aneinander schlagenden Stöcken; plötzlich ein gellender Schrei und ganz deutlich die Worte: O weh, meine arme Seele! hoch von oben herab. Der Eine wollte auch glühende Augen durch die Zweige funkeln gesehen haben, und Beide waren gelaufen, was ihre Beine vermochten.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:10:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T14:10:05Z)

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/56>, abgerufen am 24.11.2024.