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Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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denklich, nicht wahr? er läuft nicht mit den andern Buben? -- Er ist ein eigenes Kind, sagte Margreth wie für sich; es ist nicht gut. Simon lachte hell auf: Dein Junge ist scheu, weil ihn die andern ein paarmal gut durchgedroschen haben. Das wird ihnen der Bursche schon wieder bezahlen. Hülsmeyer war neulich bei mir, der sagte, es sei ein Junge wie 'n Reh.

Welcher Mutter geht das Herz nicht auf, wenn sie ihr Kind loben hört? Der armen Margreth ward selten so wohl, Jedermann nannte ihren Jungen tückisch und verschlossen. Die Thränen traten ihr in die Augen. Ja, Gottlob, er hat gerade Glieder. -- Wie sieht er aus? fuhr Simon fort. -- Er hat viel von dir, Simon viel. Simon lachte: Ei, das muß ein rarer Kerl sein ich werde alle Tage schöner. An der Schule soll er sich wohl nicht verbrennen. Du läßt ihn die Kühe hüten? Eben so gut. Es ist doch nicht halb wahr, was der Magister sagt. Aber wo hütet er? Im Telengrund? im Roderholze? im Teutoburger Wald? auch des Nachts und früh? -- Die ganzen Nächte durch; aber wie meinst du das?

Simon schien dies zu überhören; er reckte den Hals zur Thüre hinaus: Ei, da kommt der Gesell! Vaterssohn! er schlenkert gerade so mit den Armen wie dein seliger Mann. Und schau mal an! wahrhaftig, der Junge hat meine blonden Haare!

In der Mutter Züge kam ein heimliches, stolzes Lächeln; ihres Friedrichs blonde Locken und Simon's

denklich, nicht wahr? er läuft nicht mit den andern Buben? — Er ist ein eigenes Kind, sagte Margreth wie für sich; es ist nicht gut. Simon lachte hell auf: Dein Junge ist scheu, weil ihn die andern ein paarmal gut durchgedroschen haben. Das wird ihnen der Bursche schon wieder bezahlen. Hülsmeyer war neulich bei mir, der sagte, es sei ein Junge wie 'n Reh.

Welcher Mutter geht das Herz nicht auf, wenn sie ihr Kind loben hört? Der armen Margreth ward selten so wohl, Jedermann nannte ihren Jungen tückisch und verschlossen. Die Thränen traten ihr in die Augen. Ja, Gottlob, er hat gerade Glieder. — Wie sieht er aus? fuhr Simon fort. — Er hat viel von dir, Simon viel. Simon lachte: Ei, das muß ein rarer Kerl sein ich werde alle Tage schöner. An der Schule soll er sich wohl nicht verbrennen. Du läßt ihn die Kühe hüten? Eben so gut. Es ist doch nicht halb wahr, was der Magister sagt. Aber wo hütet er? Im Telengrund? im Roderholze? im Teutoburger Wald? auch des Nachts und früh? — Die ganzen Nächte durch; aber wie meinst du das?

Simon schien dies zu überhören; er reckte den Hals zur Thüre hinaus: Ei, da kommt der Gesell! Vaterssohn! er schlenkert gerade so mit den Armen wie dein seliger Mann. Und schau mal an! wahrhaftig, der Junge hat meine blonden Haare!

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:10:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/20>, abgerufen am 29.03.2024.