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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Seltsames Lager, das ich mir erkor!
Zur Rechten, Linken schwoll Gestein empor,
Gewalt'ge Blöcke, rohe Porphirbrode;
Mir überm Haupte reckte sich der Bau,
Langhaar'ge Flechten rührten meine Brau,
Und mir zu Füßen schwankt' die Ginsterlode.
Ich wußte gleich, es war ein Hünengrab,
Und fester drückt' ich meine Stirn hinab,
Wollüstig saugend an des Grauens Süße,
Bis es mit eis'gen Krallen mich gepackt,
Bis wie ein Gletscher-Bronn des Blutes Takt
Aufquoll und hämmert' unterm Mantelvließe.
Die Decke über mir, gesunken, schief,
An der so blaß gehärmt das Mondlicht schlief,
Wie eine Wittwe an des Gatten Grabe;
Vom Hirtenfeuer Kohlenscheite sahn
So leichenbrandig durch den Thimian,
Daß ich sie abwärts schnellte mit dem Stabe.
Husch fuhr ein Kibitz schreiend aus dem Moos;
Ich lachte auf; doch trug wie bügellos
Mich Phantasie weit über Spalt und Barren.
Dem Wind hab' ich gelauscht so scharf gespannt,
Als bring er Kunde aus dem Geisterland,
Und immer mußt ich an die Decke starren.
Ha! welche Sehnen wälzten diesen Stein?
Wer senkte diese wüsten Blöcke ein,
Seltſames Lager, das ich mir erkor!
Zur Rechten, Linken ſchwoll Geſtein empor,
Gewalt'ge Blöcke, rohe Porphirbrode;
Mir überm Haupte reckte ſich der Bau,
Langhaar'ge Flechten rührten meine Brau,
Und mir zu Füßen ſchwankt' die Ginſterlode.
Ich wußte gleich, es war ein Hünengrab,
Und feſter drückt' ich meine Stirn hinab,
Wollüſtig ſaugend an des Grauens Süße,
Bis es mit eiſ'gen Krallen mich gepackt,
Bis wie ein Gletſcher-Bronn des Blutes Takt
Aufquoll und hämmert' unterm Mantelvließe.
Die Decke über mir, geſunken, ſchief,
An der ſo blaß gehärmt das Mondlicht ſchlief,
Wie eine Wittwe an des Gatten Grabe;
Vom Hirtenfeuer Kohlenſcheite ſahn
So leichenbrandig durch den Thimian,
Daß ich ſie abwärts ſchnellte mit dem Stabe.
Huſch fuhr ein Kibitz ſchreiend aus dem Moos;
Ich lachte auf; doch trug wie bügellos
Mich Phantaſie weit über Spalt und Barren.
Dem Wind hab' ich gelauſcht ſo ſcharf geſpannt,
Als bring er Kunde aus dem Geiſterland,
Und immer mußt ich an die Decke ſtarren.
Ha! welche Sehnen wälzten dieſen Stein?
Wer ſenkte dieſe wüſten Blöcke ein,
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[56/0070] Seltſames Lager, das ich mir erkor! Zur Rechten, Linken ſchwoll Geſtein empor, Gewalt'ge Blöcke, rohe Porphirbrode; Mir überm Haupte reckte ſich der Bau, Langhaar'ge Flechten rührten meine Brau, Und mir zu Füßen ſchwankt' die Ginſterlode. Ich wußte gleich, es war ein Hünengrab, Und feſter drückt' ich meine Stirn hinab, Wollüſtig ſaugend an des Grauens Süße, Bis es mit eiſ'gen Krallen mich gepackt, Bis wie ein Gletſcher-Bronn des Blutes Takt Aufquoll und hämmert' unterm Mantelvließe. Die Decke über mir, geſunken, ſchief, An der ſo blaß gehärmt das Mondlicht ſchlief, Wie eine Wittwe an des Gatten Grabe; Vom Hirtenfeuer Kohlenſcheite ſahn So leichenbrandig durch den Thimian, Daß ich ſie abwärts ſchnellte mit dem Stabe. Huſch fuhr ein Kibitz ſchreiend aus dem Moos; Ich lachte auf; doch trug wie bügellos Mich Phantaſie weit über Spalt und Barren. Dem Wind hab' ich gelauſcht ſo ſcharf geſpannt, Als bring er Kunde aus dem Geiſterland, Und immer mußt ich an die Decke ſtarren. Ha! welche Sehnen wälzten dieſen Stein? Wer ſenkte dieſe wüſten Blöcke ein,

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/70>, abgerufen am 22.11.2024.