"Was ließest du dem Himmel nicht "Sein freies Walten und Gericht? Und nun die klare Stimme spricht: "So war es nicht des Himmels Wille, "Daß ich vernahm was jederzeit "Wohl hätte Menschenohr gescheut? "Wenn es nicht Gottes Finger that, "Was führte dann den Reiter grad' "An meine ganz entleg'ne Thür? "O Eberhard! sey stille, stille, "So Hartes rede nicht zu mir, "Bei Gott! ich bin genug gequält!" -- "Nun wohl! noch hast du nicht erzählt. "Doch horch, Gemurmel! -- 's ist der Wind, "Und das Gewitter steigt geschwind." -- "Ich wählte einen Blumenstrauß "Und meine blankste Schüssel aus; "So ging ich langsam aus dem Haus, "Gewiß! es war ein saurer Gang! "Ich betete den Weg entlang "Zu den Nothhelfern allesammt, "Antonius, dem Schutzpatron; "Und sieh! da stand der Herzog schon! "War das nicht seltsam?" -- "Still, was flammt "Dort auf!" -- "Du siehst ja, daß es blitzt; "Wir müssen eilen. -- Als ich itzt "So vor ihm stand ganz nah am Thor: "Kein einzig Wort bracht' ich hervor, "Ich hielt ihm nur die Schüssel hin "Und weinte wie 'ne Sünderin;
„Was ließeſt du dem Himmel nicht „Sein freies Walten und Gericht? Und nun die klare Stimme ſpricht: „So war es nicht des Himmels Wille, „Daß ich vernahm was jederzeit „Wohl hätte Menſchenohr geſcheut? „Wenn es nicht Gottes Finger that, „Was führte dann den Reiter grad' „An meine ganz entleg'ne Thür? „O Eberhard! ſey ſtille, ſtille, „So Hartes rede nicht zu mir, „Bei Gott! ich bin genug gequält!“ — „Nun wohl! noch haſt du nicht erzählt. „Doch horch, Gemurmel! — 's iſt der Wind, „Und das Gewitter ſteigt geſchwind.“ — „Ich wählte einen Blumenſtrauß „Und meine blankſte Schüſſel aus; „So ging ich langſam aus dem Haus, „Gewiß! es war ein ſaurer Gang! „Ich betete den Weg entlang „Zu den Nothhelfern alleſammt, „Antonius, dem Schutzpatron; „Und ſieh! da ſtand der Herzog ſchon! „War das nicht ſeltſam?“ — „Still, was flammt „Dort auf!“ — „Du ſiehst ja, daß es blitzt; „Wir müſſen eilen. — Als ich itzt „So vor ihm ſtand ganz nah am Thor: „Kein einzig Wort bracht' ich hervor, „Ich hielt ihm nur die Schüſſel hin „Und weinte wie 'ne Sünderin;
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„Was ließeſt du dem Himmel nicht
„Sein freies Walten und Gericht?
Und nun die klare Stimme ſpricht:
„So war es nicht des Himmels Wille,
„Daß ich vernahm was jederzeit
„Wohl hätte Menſchenohr geſcheut?
„Wenn es nicht Gottes Finger that,
„Was führte dann den Reiter grad'
„An meine ganz entleg'ne Thür?
„O Eberhard! ſey ſtille, ſtille,
„So Hartes rede nicht zu mir,
„Bei Gott! ich bin genug gequält!“
— „Nun wohl! noch haſt du nicht erzählt.
„Doch horch, Gemurmel! — 's iſt der Wind,
„Und das Gewitter ſteigt geſchwind.“
— „Ich wählte einen Blumenſtrauß
„Und meine blankſte Schüſſel aus;
„So ging ich langſam aus dem Haus,
„Gewiß! es war ein ſaurer Gang!
„Ich betete den Weg entlang
„Zu den Nothhelfern alleſammt,
„Antonius, dem Schutzpatron;
„Und ſieh! da ſtand der Herzog ſchon!
„War das nicht ſeltſam?“ — „Still, was flammt
„Dort auf!“ — „Du ſiehst ja, daß es blitzt;
„Wir müſſen eilen. — Als ich itzt
„So vor ihm ſtand ganz nah am Thor:
„Kein einzig Wort bracht' ich hervor,
„Ich hielt ihm nur die Schüſſel hin
„Und weinte wie 'ne Sünderin;
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/539>, abgerufen am 23.11.2024.
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