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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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"Drum glaub' ich es um desto mehr,
"Vielleicht -- Was trabt denn dort heran?
"Ein Weihquast? Was, zum letzten Segen?
"Und steckt doch seinen kahlen Kopf
"Grad' in die Fall', armsel'ger Tropf!"
Gelassen tritt der Mönch heran.
Man spricht so viel aus jener Zeit
Von Clerus Ausgelassenheit;
Dies war ein still gelehrter Mann,
Und einzig seiner Bücher froh
Im Gotteshause zu Burloh.14)
Von seinem Obern ausgesandt
Und kehrend heut durch Ahaus Thor,
Des Glaubens Feinde er davor
Und jammervoll die Bürger fand.
Daß nicht der Kelch, nicht die Monstranz
So wie der Leuchter Silberglanz
Zu retten, scheint ihm selber doch;
Allein die Kreuzreliquie noch,
So nur in schlechtes Holz gefaßt --
Drum gönnt er sich denn keine Rast,
Und tritt den Herzog muthig an.
Er bittet um geneigtes Ohr,
Trägt ruhig sein Gesuch ihm vor;
Hat nun geredet, blickt empor,
Doch hastig wieder auf den Grund:
Dies Muskelspiel um Wang' und Mund,
Und dieser Augen todte Glut --
Fürwahr die Sache steht nicht gut!
"Herr!" fährt er fort, "was nützt es Euch?

„Drum glaub' ich es um deſto mehr,
„Vielleicht — Was trabt denn dort heran?
„Ein Weihquaſt? Was, zum letzten Segen?
„Und ſteckt doch ſeinen kahlen Kopf
„Grad' in die Fall', armſel'ger Tropf!“
Gelaſſen tritt der Mönch heran.
Man ſpricht ſo viel aus jener Zeit
Von Clerus Ausgelaſſenheit;
Dies war ein ſtill gelehrter Mann,
Und einzig ſeiner Bücher froh
Im Gotteshauſe zu Burloh.14)
Von ſeinem Obern ausgeſandt
Und kehrend heut durch Ahaus Thor,
Des Glaubens Feinde er davor
Und jammervoll die Bürger fand.
Daß nicht der Kelch, nicht die Monſtranz
So wie der Leuchter Silberglanz
Zu retten, ſcheint ihm ſelber doch;
Allein die Kreuzreliquie noch,
So nur in ſchlechtes Holz gefaßt —
Drum gönnt er ſich denn keine Raſt,
Und tritt den Herzog muthig an.
Er bittet um geneigtes Ohr,
Trägt ruhig ſein Geſuch ihm vor;
Hat nun geredet, blickt empor,
Doch haſtig wieder auf den Grund:
Dies Muskelſpiel um Wang' und Mund,
Und dieſer Augen todte Glut —
Fürwahr die Sache ſteht nicht gut!
„Herr!“ fährt er fort, „was nützt es Euch?

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[521/0535] „Drum glaub' ich es um deſto mehr, „Vielleicht — Was trabt denn dort heran? „Ein Weihquaſt? Was, zum letzten Segen? „Und ſteckt doch ſeinen kahlen Kopf „Grad' in die Fall', armſel'ger Tropf!“ Gelaſſen tritt der Mönch heran. Man ſpricht ſo viel aus jener Zeit Von Clerus Ausgelaſſenheit; Dies war ein ſtill gelehrter Mann, Und einzig ſeiner Bücher froh Im Gotteshauſe zu Burloh.14) Von ſeinem Obern ausgeſandt Und kehrend heut durch Ahaus Thor, Des Glaubens Feinde er davor Und jammervoll die Bürger fand. Daß nicht der Kelch, nicht die Monſtranz So wie der Leuchter Silberglanz Zu retten, ſcheint ihm ſelber doch; Allein die Kreuzreliquie noch, So nur in ſchlechtes Holz gefaßt — Drum gönnt er ſich denn keine Raſt, Und tritt den Herzog muthig an. Er bittet um geneigtes Ohr, Trägt ruhig ſein Geſuch ihm vor; Hat nun geredet, blickt empor, Doch haſtig wieder auf den Grund: Dies Muskelſpiel um Wang' und Mund, Und dieſer Augen todte Glut — Fürwahr die Sache ſteht nicht gut! „Herr!“ fährt er fort, „was nützt es Euch?

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/535>, abgerufen am 22.11.2024.