Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom Hammerschlag ein ferner Klang
Durch des Gezeltes Spalten drang.
Sie öffnen sich, und langsam tritt
Vor seinen Feldherrn Obrist Spar.12
Ein Mann so aller Milde baar,
Daß ihn der Herzog oft verglich
Der Roßkastanie, deren Stich
Nur trotzig zu verbergen sucht,
Daß ungenießbar ist die Frucht.
Im Zelt sie wandeln Schritt bei Schritt,
Was sie gesprochen war nicht lang;
Doch weiß man, in den Herzog drang
Er wiederholt: nach solchem Streite
Zumeist dem Krieger zieme Beute,
Daß Eine Lust noch rüttle wach
Den Muth, der im Gefechte brach. --
O stolzer Feldher, gib nicht nach!

Wie endlos ist der Kirche Bogen,
Wie geisterhaft der Ampel Strahl,
Wenn Furcht und Seelenglut zumal
In Stößen treiben Blutes Wogen.
Die Decke schwimmt, der Leichenstein
Scheint aus den Fugen sich zu heben,
Und ein unheimlich, blutlos Leben
Regt flimmernd sich im Heil'genschrein.
Auf leerer Kanzel knackt ein Tritt,
Wie Nachtwind an den Fenstern wühlt;
Von unsichtbarer Hand gespielt
Die Orgel summend scheint zu beben,

Vom Hammerſchlag ein ferner Klang
Durch des Gezeltes Spalten drang.
Sie öffnen ſich, und langſam tritt
Vor ſeinen Feldherrn Obriſt Spar.12
Ein Mann ſo aller Milde baar,
Daß ihn der Herzog oft verglich
Der Roßkaſtanie, deren Stich
Nur trotzig zu verbergen ſucht,
Daß ungenießbar iſt die Frucht.
Im Zelt ſie wandeln Schritt bei Schritt,
Was ſie geſprochen war nicht lang;
Doch weiß man, in den Herzog drang
Er wiederholt: nach ſolchem Streite
Zumeiſt dem Krieger zieme Beute,
Daß Eine Luſt noch rüttle wach
Den Muth, der im Gefechte brach. —
O ſtolzer Feldher, gib nicht nach!

Wie endlos iſt der Kirche Bogen,
Wie geiſterhaft der Ampel Strahl,
Wenn Furcht und Seelenglut zumal
In Stößen treiben Blutes Wogen.
Die Decke ſchwimmt, der Leichenſtein
Scheint aus den Fugen ſich zu heben,
Und ein unheimlich, blutlos Leben
Regt flimmernd ſich im Heil'genſchrein.
Auf leerer Kanzel knackt ein Tritt,
Wie Nachtwind an den Fenſtern wühlt;
Von unſichtbarer Hand geſpielt
Die Orgel ſummend ſcheint zu beben,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="12">
                <pb facs="#f0523" n="509"/>
                <l>Vom Hammer&#x017F;chlag ein ferner Klang</l><lb/>
                <l>Durch des Gezeltes Spalten drang.</l><lb/>
                <l>Sie öffnen &#x017F;ich, und lang&#x017F;am tritt</l><lb/>
                <l>Vor &#x017F;einen Feldherrn Obri&#x017F;t Spar.12</l><lb/>
                <l>Ein Mann &#x017F;o aller Milde baar,</l><lb/>
                <l>Daß ihn der Herzog oft verglich</l><lb/>
                <l>Der Roßka&#x017F;tanie, deren Stich</l><lb/>
                <l>Nur trotzig zu verbergen &#x017F;ucht,</l><lb/>
                <l>Daß ungenießbar i&#x017F;t die Frucht.</l><lb/>
                <l>Im Zelt &#x017F;ie wandeln Schritt bei Schritt,</l><lb/>
                <l>Was &#x017F;ie ge&#x017F;prochen war nicht lang;</l><lb/>
                <l>Doch weiß man, in den Herzog drang</l><lb/>
                <l>Er wiederholt: nach &#x017F;olchem Streite</l><lb/>
                <l>Zumei&#x017F;t dem Krieger zieme Beute,</l><lb/>
                <l>Daß Eine Lu&#x017F;t noch rüttle wach</l><lb/>
                <l>Den Muth, der im Gefechte brach. &#x2014;</l><lb/>
                <l>O &#x017F;tolzer Feldher, gib nicht nach!</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="13">
                <l>Wie endlos i&#x017F;t der Kirche Bogen,</l><lb/>
                <l>Wie gei&#x017F;terhaft der Ampel Strahl,</l><lb/>
                <l>Wenn Furcht und Seelenglut zumal</l><lb/>
                <l>In Stößen treiben Blutes Wogen.</l><lb/>
                <l>Die Decke &#x017F;chwimmt, der Leichen&#x017F;tein</l><lb/>
                <l>Scheint aus den Fugen &#x017F;ich zu heben,</l><lb/>
                <l>Und ein unheimlich, blutlos Leben</l><lb/>
                <l>Regt flimmernd &#x017F;ich im Heil'gen&#x017F;chrein.</l><lb/>
                <l>Auf leerer Kanzel knackt ein Tritt,</l><lb/>
                <l>Wie Nachtwind an den Fen&#x017F;tern wühlt;</l><lb/>
                <l>Von un&#x017F;ichtbarer Hand ge&#x017F;pielt</l><lb/>
                <l>Die Orgel &#x017F;ummend &#x017F;cheint zu beben,</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[509/0523] Vom Hammerſchlag ein ferner Klang Durch des Gezeltes Spalten drang. Sie öffnen ſich, und langſam tritt Vor ſeinen Feldherrn Obriſt Spar.12 Ein Mann ſo aller Milde baar, Daß ihn der Herzog oft verglich Der Roßkaſtanie, deren Stich Nur trotzig zu verbergen ſucht, Daß ungenießbar iſt die Frucht. Im Zelt ſie wandeln Schritt bei Schritt, Was ſie geſprochen war nicht lang; Doch weiß man, in den Herzog drang Er wiederholt: nach ſolchem Streite Zumeiſt dem Krieger zieme Beute, Daß Eine Luſt noch rüttle wach Den Muth, der im Gefechte brach. — O ſtolzer Feldher, gib nicht nach! Wie endlos iſt der Kirche Bogen, Wie geiſterhaft der Ampel Strahl, Wenn Furcht und Seelenglut zumal In Stößen treiben Blutes Wogen. Die Decke ſchwimmt, der Leichenſtein Scheint aus den Fugen ſich zu heben, Und ein unheimlich, blutlos Leben Regt flimmernd ſich im Heil'genſchrein. Auf leerer Kanzel knackt ein Tritt, Wie Nachtwind an den Fenſtern wühlt; Von unſichtbarer Hand geſpielt Die Orgel ſummend ſcheint zu beben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/523
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/523>, abgerufen am 22.11.2024.