Verwirrung hatte mich betäubt, zum Heil, Sonst hätt' ich mich gefürchtet, als so steil Pfadlosen Weg betrat des Thieres Fuß, Wo ich nur klammernd mich erhalten muß An seine Mähne mein Gesicht gelegt, Daß mir des Thieres Schweiß vom Kinne rann. Ich hörte wie, von seinem Huf geregt, Des Weges Steine langsam rollten, dann Von Klipp' zu Klippe sprangen, bis zuletzt Der Schall im Nachhall schwand. Ich hörte jetzt Ob meinem Haupt die Wasser niederrauschen, Daß zarter Regen mein Gesicht benetzt. Oft warnte eine Stimme mich in Hast: "Dich vorgebückt!" und über meinem Nacken Strich sich ein breiter Ast mit trägem Knacken. Entferntem Knalle glaubt' ich oft zu lauschen, Der Boden einmal klang wie Estrich fast; Was weiß ich, meine Phantasie war reg'; -- Doch immer seltsam blieb und schlimm der Weg. So öde war mein Hirn, gedankenleer, Die Zügel ließ ich, oft dem Falle nah, Dann wieder kehrte das Bewußtseyn schwer. Mit angeklemmten Gliedern saß ich da Und log, von Sorge überschlau gemacht, Ein heitres Angesicht der finstern Nacht. Wie lange so, vermag ich nicht zu sagen. Mir ist wie dem der aus dem Schlaf erwacht: Ihm scheint's vom Abend ein Moment zum Tagen, Doch blieb ihm das Gefühl entschwundner Zeit, Und öfters über's Ziel ihn führend weit,
Verwirrung hatte mich betäubt, zum Heil, Sonſt hätt' ich mich gefürchtet, als ſo ſteil Pfadloſen Weg betrat des Thieres Fuß, Wo ich nur klammernd mich erhalten muß An ſeine Mähne mein Geſicht gelegt, Daß mir des Thieres Schweiß vom Kinne rann. Ich hörte wie, von ſeinem Huf geregt, Des Weges Steine langſam rollten, dann Von Klipp' zu Klippe ſprangen, bis zuletzt Der Schall im Nachhall ſchwand. Ich hörte jetzt Ob meinem Haupt die Waſſer niederrauſchen, Daß zarter Regen mein Geſicht benetzt. Oft warnte eine Stimme mich in Haſt: „Dich vorgebückt!“ und über meinem Nacken Strich ſich ein breiter Aſt mit trägem Knacken. Entferntem Knalle glaubt' ich oft zu lauſchen, Der Boden einmal klang wie Eſtrich faſt; Was weiß ich, meine Phantaſie war reg'; — Doch immer ſeltſam blieb und ſchlimm der Weg. So öde war mein Hirn, gedankenleer, Die Zügel ließ ich, oft dem Falle nah, Dann wieder kehrte das Bewußtſeyn ſchwer. Mit angeklemmten Gliedern ſaß ich da Und log, von Sorge überſchlau gemacht, Ein heitres Angeſicht der finſtern Nacht. Wie lange ſo, vermag ich nicht zu ſagen. Mir iſt wie dem der aus dem Schlaf erwacht: Ihm ſcheint's vom Abend ein Moment zum Tagen, Doch blieb ihm das Gefühl entſchwundner Zeit, Und öfters über's Ziel ihn führend weit,
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Verwirrung hatte mich betäubt, zum Heil,
Sonſt hätt' ich mich gefürchtet, als ſo ſteil
Pfadloſen Weg betrat des Thieres Fuß,
Wo ich nur klammernd mich erhalten muß
An ſeine Mähne mein Geſicht gelegt,
Daß mir des Thieres Schweiß vom Kinne rann.
Ich hörte wie, von ſeinem Huf geregt,
Des Weges Steine langſam rollten, dann
Von Klipp' zu Klippe ſprangen, bis zuletzt
Der Schall im Nachhall ſchwand. Ich hörte jetzt
Ob meinem Haupt die Waſſer niederrauſchen,
Daß zarter Regen mein Geſicht benetzt.
Oft warnte eine Stimme mich in Haſt:
„Dich vorgebückt!“ und über meinem Nacken
Strich ſich ein breiter Aſt mit trägem Knacken.
Entferntem Knalle glaubt' ich oft zu lauſchen,
Der Boden einmal klang wie Eſtrich faſt;
Was weiß ich, meine Phantaſie war reg'; —
Doch immer ſeltſam blieb und ſchlimm der Weg.
So öde war mein Hirn, gedankenleer,
Die Zügel ließ ich, oft dem Falle nah,
Dann wieder kehrte das Bewußtſeyn ſchwer.
Mit angeklemmten Gliedern ſaß ich da
Und log, von Sorge überſchlau gemacht,
Ein heitres Angeſicht der finſtern Nacht.
Wie lange ſo, vermag ich nicht zu ſagen.
Mir iſt wie dem der aus dem Schlaf erwacht:
Ihm ſcheint's vom Abend ein Moment zum Tagen,
Doch blieb ihm das Gefühl entſchwundner Zeit,
Und öfters über's Ziel ihn führend weit,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/477>, abgerufen am 22.11.2024.
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