Die Mönche mit den Brüdern schelten Und lassen sie den Lärm entgelten; Zur Zelle ein Noviz sich schleicht. Der Prior naht, gesetzt, doch leicht. Die Schritte, schon vor manchen Jahren, Der schlanken Gemse tödlich waren, Als auf dem Montblanc diese Hand Vergebens nie den Schuß entsandt. Und der Gewohnheit zähes Band Verräth sich noch bei grauen Haaren; Ja, dieser blauen Augen Blitz Scheint noch zu spähn des Geiers Sitz; Den Stab er in der Mitte faßt, Wie einst der Doppelbüchse Last. Fürwahr! als einst, gedankenschwer, Berathend in der Brüder Kreis Er zum Brevier griff ungefähr, Sah man das heil'ge Buch ihn schütteln, Wie's Pulverhorn die Jäger rütteln. So leis' und fest die Schritte greifen. Nun, redend, an des Gurtes Strang Die Sehne scheint er noch zu streifen. "Was, Brüder, zaudert ihr so lang? Der Barry hat das Kind gebracht, Allein wer nahm das Kind in Acht? Wo ist der Mann, wo ist die Frau, So auf den Bernhard es getragen? Seyd Väter ihr umsonst so grau? Muß euch des Hundes Witz verklagen? Seht, wie das arme Thier sich müht,
Die Mönche mit den Brüdern ſchelten Und laſſen ſie den Lärm entgelten; Zur Zelle ein Noviz ſich ſchleicht. Der Prior naht, geſetzt, doch leicht. Die Schritte, ſchon vor manchen Jahren, Der ſchlanken Gemſe tödlich waren, Als auf dem Montblanc dieſe Hand Vergebens nie den Schuß entſandt. Und der Gewohnheit zähes Band Verräth ſich noch bei grauen Haaren; Ja, dieſer blauen Augen Blitz Scheint noch zu ſpähn des Geiers Sitz; Den Stab er in der Mitte faßt, Wie einſt der Doppelbüchſe Laſt. Fürwahr! als einſt, gedankenſchwer, Berathend in der Brüder Kreis Er zum Brevier griff ungefähr, Sah man das heil'ge Buch ihn ſchütteln, Wie's Pulverhorn die Jäger rütteln. So leiſ' und feſt die Schritte greifen. Nun, redend, an des Gurtes Strang Die Sehne ſcheint er noch zu ſtreifen. „Was, Brüder, zaudert ihr ſo lang? Der Barry hat das Kind gebracht, Allein wer nahm das Kind in Acht? Wo iſt der Mann, wo iſt die Frau, So auf den Bernhard es getragen? Seyd Väter ihr umſonſt ſo grau? Muß euch des Hundes Witz verklagen? Seht, wie das arme Thier ſich müht,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><lgn="4"><pbfacs="#f0449"n="435"/><l>Die Mönche mit den Brüdern ſchelten</l><lb/><l>Und laſſen ſie den Lärm entgelten;</l><lb/><l>Zur Zelle ein Noviz ſich ſchleicht.</l><lb/><l>Der Prior naht, geſetzt, doch leicht.</l><lb/><l><hirendition="#g">Die</hi> Schritte, ſchon vor manchen Jahren,</l><lb/><l>Der ſchlanken Gemſe tödlich waren,</l><lb/><l>Als auf dem Montblanc dieſe Hand</l><lb/><l>Vergebens nie den Schuß entſandt.</l><lb/><l>Und der Gewohnheit zähes Band</l><lb/><l>Verräth ſich noch bei grauen Haaren;</l><lb/><l>Ja, dieſer blauen Augen Blitz</l><lb/><l>Scheint noch zu ſpähn des Geiers Sitz;</l><lb/><l>Den Stab er in der Mitte faßt,</l><lb/><l>Wie einſt der Doppelbüchſe Laſt.</l><lb/><l>Fürwahr! als einſt, gedankenſchwer,</l><lb/><l>Berathend in der Brüder Kreis</l><lb/><l>Er zum Brevier griff ungefähr,</l><lb/><l>Sah man das heil'ge Buch ihn ſchütteln,</l><lb/><l>Wie's Pulverhorn die Jäger rütteln.</l><lb/><l>So leiſ' und feſt die Schritte greifen.</l><lb/><l>Nun, redend, an des Gurtes Strang</l><lb/><l>Die Sehne ſcheint er noch zu ſtreifen.</l><lb/><l>„Was, Brüder, zaudert ihr ſo lang?</l><lb/><l>Der Barry hat das Kind gebracht,</l><lb/><l>Allein wer nahm das Kind in Acht?</l><lb/><l>Wo iſt der Mann, wo iſt die Frau,</l><lb/><l>So auf den Bernhard es getragen?</l><lb/><l>Seyd Väter ihr umſonſt ſo grau?</l><lb/><l>Muß euch des Hundes Witz verklagen?</l><lb/><l>Seht, wie das arme Thier ſich müht,</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[435/0449]
Die Mönche mit den Brüdern ſchelten
Und laſſen ſie den Lärm entgelten;
Zur Zelle ein Noviz ſich ſchleicht.
Der Prior naht, geſetzt, doch leicht.
Die Schritte, ſchon vor manchen Jahren,
Der ſchlanken Gemſe tödlich waren,
Als auf dem Montblanc dieſe Hand
Vergebens nie den Schuß entſandt.
Und der Gewohnheit zähes Band
Verräth ſich noch bei grauen Haaren;
Ja, dieſer blauen Augen Blitz
Scheint noch zu ſpähn des Geiers Sitz;
Den Stab er in der Mitte faßt,
Wie einſt der Doppelbüchſe Laſt.
Fürwahr! als einſt, gedankenſchwer,
Berathend in der Brüder Kreis
Er zum Brevier griff ungefähr,
Sah man das heil'ge Buch ihn ſchütteln,
Wie's Pulverhorn die Jäger rütteln.
So leiſ' und feſt die Schritte greifen.
Nun, redend, an des Gurtes Strang
Die Sehne ſcheint er noch zu ſtreifen.
„Was, Brüder, zaudert ihr ſo lang?
Der Barry hat das Kind gebracht,
Allein wer nahm das Kind in Acht?
Wo iſt der Mann, wo iſt die Frau,
So auf den Bernhard es getragen?
Seyd Väter ihr umſonſt ſo grau?
Muß euch des Hundes Witz verklagen?
Seht, wie das arme Thier ſich müht,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/449>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.