Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Ich selbst hab' in Decembernacht
Vor Zeiten diesen Weg gemacht.
Ich macht' ihn, hab' ihn machen müssen,
Und, rathlos am Montmort gebettet,
Hat unser Glöckchen mich gerettet.
So treibt die Noth" -- der Alte schweigt,
Doch nieder auf den Strang sich beugt,
Und angeschlagen mit Gewalt
Das Glöckchen durch die Steppe schallt.
Dann -- "still! rief's meinen Namen nicht?"
"Nein, Vater." "Hast du nichts vernommen?"
"Ein Schnauben, Scharren?" Jener spricht:
"Ist's möglich! unsre Hunde kommen."
"Still! Bruder, still!" -- Man horcht auf's neu;
Ein leises Winseln schleicht herbei
Vom Klosterthor, ein Stoßen, Kratzen,
Ein Rütteln wie mit schweren Tatzen.
"Schnell, Eleuthere! schnell aufgemacht!
Schau, was der Barry uns gebracht!"
Denis, gebannt am Glockenstrang,
Doch immer schaut den Weg entlang.
Nun nahen Tritte, ja gewiß --
Die Gänge tappt's hinauf -- allein
Ein Hund scheint's und ein Mensch zu seyn.
Das Pförtchen öffnet sich. "Denis!"
Ruft Eleuthere, "o seht doch hier
Das gute kluge treue Thier!"
Und nach ihm, schwer ermüdet, wankt
Der große Hund in die Kapelle;
Ich ſelbſt hab' in Decembernacht
Vor Zeiten dieſen Weg gemacht.
Ich macht' ihn, hab' ihn machen müſſen,
Und, rathlos am Montmort gebettet,
Hat unſer Glöckchen mich gerettet.
So treibt die Noth“ — der Alte ſchweigt,
Doch nieder auf den Strang ſich beugt,
Und angeſchlagen mit Gewalt
Das Glöckchen durch die Steppe ſchallt.
Dann — „ſtill! rief's meinen Namen nicht?“
„Nein, Vater.“ „Haſt du nichts vernommen?“
„Ein Schnauben, Scharren?“ Jener ſpricht:
„Iſt's möglich! unſre Hunde kommen.“
„Still! Bruder, ſtill!“ — Man horcht auf's neu;
Ein leiſes Winſeln ſchleicht herbei
Vom Kloſterthor, ein Stoßen, Kratzen,
Ein Rütteln wie mit ſchweren Tatzen.
„Schnell, Eleuthère! ſchnell aufgemacht!
Schau, was der Barry uns gebracht!“
Denis, gebannt am Glockenſtrang,
Doch immer ſchaut den Weg entlang.
Nun nahen Tritte, ja gewiß —
Die Gänge tappt's hinauf — allein
Ein Hund ſcheint's und ein Menſch zu ſeyn.
Das Pförtchen öffnet ſich. „Denis!“
Ruft Eleuthère, „o ſeht doch hier
Das gute kluge treue Thier!“
Und nach ihm, ſchwer ermüdet, wankt
Der große Hund in die Kapelle;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0446" n="432"/>
              <lg n="2">
                <l>Ich &#x017F;elb&#x017F;t hab' in Decembernacht</l><lb/>
                <l>Vor Zeiten die&#x017F;en Weg gemacht.</l><lb/>
                <l>Ich macht' ihn, hab' ihn machen mü&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
                <l>Und, rathlos am Montmort gebettet,</l><lb/>
                <l>Hat un&#x017F;er Glöckchen mich gerettet.</l><lb/>
                <l>So treibt die Noth&#x201C; &#x2014; der Alte &#x017F;chweigt,</l><lb/>
                <l>Doch nieder auf den Strang &#x017F;ich beugt,</l><lb/>
                <l>Und ange&#x017F;chlagen mit Gewalt</l><lb/>
                <l>Das Glöckchen durch die Steppe &#x017F;challt.</l><lb/>
                <l>Dann &#x2014; &#x201E;&#x017F;till! rief's meinen Namen nicht?&#x201C;</l><lb/>
                <l>&#x201E;Nein, Vater.&#x201C; &#x201E;Ha&#x017F;t du nichts vernommen?&#x201C;</l><lb/>
                <l>&#x201E;Ein Schnauben, Scharren?&#x201C; Jener &#x017F;pricht:</l><lb/>
                <l>&#x201E;I&#x017F;t's möglich! un&#x017F;re Hunde kommen.&#x201C;</l><lb/>
                <l>&#x201E;Still! Bruder, &#x017F;till!&#x201C; &#x2014; Man horcht auf's neu;</l><lb/>
                <l>Ein lei&#x017F;es Win&#x017F;eln &#x017F;chleicht herbei</l><lb/>
                <l>Vom Klo&#x017F;terthor, ein Stoßen, Kratzen,</l><lb/>
                <l>Ein Rütteln wie mit &#x017F;chweren Tatzen.</l><lb/>
                <l>&#x201E;Schnell, Eleuth<hi rendition="#aq">è</hi>re! &#x017F;chnell aufgemacht!</l><lb/>
                <l>Schau, was der Barry uns gebracht!&#x201C;</l><lb/>
                <l>Denis, gebannt am Glocken&#x017F;trang,</l><lb/>
                <l>Doch immer &#x017F;chaut den Weg entlang.</l><lb/>
                <l>Nun nahen Tritte, ja gewiß &#x2014;</l><lb/>
                <l>Die Gänge tappt's hinauf &#x2014; allein</l><lb/>
                <l>Ein Hund &#x017F;cheint's und ein Men&#x017F;ch zu &#x017F;eyn.</l><lb/>
                <l>Das Pförtchen öffnet &#x017F;ich. &#x201E;Denis!&#x201C;</l><lb/>
                <l>Ruft Eleuth<hi rendition="#aq">è</hi>re, &#x201E;o &#x017F;eht doch hier</l><lb/>
                <l>Das gute kluge treue Thier!&#x201C;</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Und nach ihm, &#x017F;chwer ermüdet, wankt</l><lb/>
                <l>Der große Hund in die Kapelle;</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[432/0446] Ich ſelbſt hab' in Decembernacht Vor Zeiten dieſen Weg gemacht. Ich macht' ihn, hab' ihn machen müſſen, Und, rathlos am Montmort gebettet, Hat unſer Glöckchen mich gerettet. So treibt die Noth“ — der Alte ſchweigt, Doch nieder auf den Strang ſich beugt, Und angeſchlagen mit Gewalt Das Glöckchen durch die Steppe ſchallt. Dann — „ſtill! rief's meinen Namen nicht?“ „Nein, Vater.“ „Haſt du nichts vernommen?“ „Ein Schnauben, Scharren?“ Jener ſpricht: „Iſt's möglich! unſre Hunde kommen.“ „Still! Bruder, ſtill!“ — Man horcht auf's neu; Ein leiſes Winſeln ſchleicht herbei Vom Kloſterthor, ein Stoßen, Kratzen, Ein Rütteln wie mit ſchweren Tatzen. „Schnell, Eleuthère! ſchnell aufgemacht! Schau, was der Barry uns gebracht!“ Denis, gebannt am Glockenſtrang, Doch immer ſchaut den Weg entlang. Nun nahen Tritte, ja gewiß — Die Gänge tappt's hinauf — allein Ein Hund ſcheint's und ein Menſch zu ſeyn. Das Pförtchen öffnet ſich. „Denis!“ Ruft Eleuthère, „o ſeht doch hier Das gute kluge treue Thier!“ Und nach ihm, ſchwer ermüdet, wankt Der große Hund in die Kapelle;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/446
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/446>, abgerufen am 23.11.2024.