Manch' grauer Heil'ger zürnend schaut. Zudem -- das Eis an Wänden hängt, Vom Glockenstuhl ein Luftzug drängt, Wie endlos Bommeln über'm Haupt Schier die Geduld dem Bruder raubt. Ob denn die Stunde nimmer endet? Doch still! die Klosteruhr sich wendet: Eins -- zwei -- und drei -- das Echo dröhnt, Und auch der Mönch die Glieder dehnt. Er läßt den Strang, im Spähn verloren, Ihm summt's noch immer vor den Ohren. Nun knarren Thüren, schlurfen Tritte, Ein Lichtstrahl durch die Ritze gleitet; Dann, haltend vor des Auges Mitte Sein Lämpchen in gebräunter Hand, Hervor Denis der Alte schreitet. Längst vom Gesetz dem Dienst entbunden Hat er sich nimmer drein gefunden, Ein eifervoller Gottesknecht, Behauptend seiner Pflichten Recht. Grau ist sein Haar wie sein Gewand, Und da er bleibt am Pförtchen stehn Den Finger mahnend aufgehoben, Du meinst den Alpengeist zu sehn. "O Eleuthere! soll man dich loben? Mein junger rüstiger Gesell, Ermattest du im Dienst so schnell?" Der Bruder läßig faßt den Strang Und läßt sogleich ihn wieder fallen; "Dem Vater wird die Zeit wohl lang;
Manch' grauer Heil'ger zürnend ſchaut. Zudem — das Eis an Wänden hängt, Vom Glockenſtuhl ein Luftzug drängt, Wie endlos Bommeln über'm Haupt Schier die Geduld dem Bruder raubt. Ob denn die Stunde nimmer endet? Doch ſtill! die Kloſteruhr ſich wendet: Eins — zwei — und drei — das Echo dröhnt, Und auch der Mönch die Glieder dehnt. Er läßt den Strang, im Spähn verloren, Ihm ſummt's noch immer vor den Ohren. Nun knarren Thüren, ſchlurfen Tritte, Ein Lichtſtrahl durch die Ritze gleitet; Dann, haltend vor des Auges Mitte Sein Lämpchen in gebräunter Hand, Hervor Denis der Alte ſchreitet. Längſt vom Geſetz dem Dienſt entbunden Hat er ſich nimmer drein gefunden, Ein eifervoller Gottesknecht, Behauptend ſeiner Pflichten Recht. Grau iſt ſein Haar wie ſein Gewand, Und da er bleibt am Pförtchen ſtehn Den Finger mahnend aufgehoben, Du meinſt den Alpengeiſt zu ſehn. „O Eleuthère! ſoll man dich loben? Mein junger rüſtiger Geſell, Ermatteſt du im Dienſt ſo ſchnell?“ Der Bruder läßig faßt den Strang Und läßt ſogleich ihn wieder fallen; „Dem Vater wird die Zeit wohl lang;
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><lgn="2"><pbfacs="#f0444"n="430"/><l>Manch' grauer Heil'ger zürnend ſchaut.</l><lb/><l>Zudem — das Eis an Wänden hängt,</l><lb/><l>Vom Glockenſtuhl ein Luftzug drängt,</l><lb/><l>Wie endlos Bommeln über'm Haupt</l><lb/><l>Schier die Geduld dem Bruder raubt.</l><lb/><l>Ob denn die Stunde nimmer endet?</l><lb/><l>Doch ſtill! die Kloſteruhr ſich wendet:</l><lb/><l>Eins — zwei — und drei — das Echo dröhnt,</l><lb/><l>Und auch der Mönch die Glieder dehnt.</l><lb/><l>Er läßt den Strang, im Spähn verloren,</l><lb/><l>Ihm ſummt's noch immer vor den Ohren.</l><lb/><l>Nun knarren Thüren, ſchlurfen Tritte,</l><lb/><l>Ein Lichtſtrahl durch die Ritze gleitet;</l><lb/><l>Dann, haltend vor des Auges Mitte</l><lb/><l>Sein Lämpchen in gebräunter Hand,</l><lb/><l>Hervor Denis der Alte ſchreitet.</l><lb/><l>Längſt vom Geſetz dem Dienſt entbunden</l><lb/><l>Hat er ſich nimmer drein gefunden,</l><lb/><l>Ein eifervoller Gottesknecht,</l><lb/><l>Behauptend ſeiner Pflichten Recht.</l><lb/><l>Grau iſt ſein Haar wie ſein Gewand,</l><lb/><l>Und da er bleibt am Pförtchen ſtehn</l><lb/><l>Den Finger mahnend aufgehoben,</l><lb/><l>Du meinſt den Alpengeiſt zu ſehn.</l><lb/><l>„O Eleuth<hirendition="#aq">è</hi>re! ſoll man dich loben?</l><lb/><l>Mein junger rüſtiger Geſell,</l><lb/><l>Ermatteſt du im Dienſt ſo ſchnell?“</l><lb/><l>Der Bruder läßig faßt den Strang</l><lb/><l>Und läßt ſogleich ihn wieder fallen;</l><lb/><l>„Dem Vater wird die Zeit wohl lang;</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[430/0444]
Manch' grauer Heil'ger zürnend ſchaut.
Zudem — das Eis an Wänden hängt,
Vom Glockenſtuhl ein Luftzug drängt,
Wie endlos Bommeln über'm Haupt
Schier die Geduld dem Bruder raubt.
Ob denn die Stunde nimmer endet?
Doch ſtill! die Kloſteruhr ſich wendet:
Eins — zwei — und drei — das Echo dröhnt,
Und auch der Mönch die Glieder dehnt.
Er läßt den Strang, im Spähn verloren,
Ihm ſummt's noch immer vor den Ohren.
Nun knarren Thüren, ſchlurfen Tritte,
Ein Lichtſtrahl durch die Ritze gleitet;
Dann, haltend vor des Auges Mitte
Sein Lämpchen in gebräunter Hand,
Hervor Denis der Alte ſchreitet.
Längſt vom Geſetz dem Dienſt entbunden
Hat er ſich nimmer drein gefunden,
Ein eifervoller Gottesknecht,
Behauptend ſeiner Pflichten Recht.
Grau iſt ſein Haar wie ſein Gewand,
Und da er bleibt am Pförtchen ſtehn
Den Finger mahnend aufgehoben,
Du meinſt den Alpengeiſt zu ſehn.
„O Eleuthère! ſoll man dich loben?
Mein junger rüſtiger Geſell,
Ermatteſt du im Dienſt ſo ſchnell?“
Der Bruder läßig faßt den Strang
Und läßt ſogleich ihn wieder fallen;
„Dem Vater wird die Zeit wohl lang;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/444>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.