Wenn flieht ein Mondenstrahl vorüber, Der die zerrißnen Wolken lichtet, Der bleichen Schläfer Reihn er streift, Die rings in Nischen aufgeschichtet. Ein Antlitz halb dir zugewandt, Hier braunes Haar, und dort gebleicht, Aus jenem Winkel wie versteckt Sich eines Fußes Spitze streckt, Und dort sich wächsern eine Hand Wie abgetrennt vom Körper zeigt. Wer ist der Mann so unverzagt, Den solch ein Anblick nicht erschüttert? Wenn über ihm, wie schmerzdurchzittert, Die mitternächt'ge Stimme klagt, Gleich Geistern durch der Nacht Revier. Ein heimlich Flüstern zischt und kocht, Und an die schlecht verschloßne Thür Der Wind mit leisem Finger pocht. Dem alten Manne wird's zu viel, Die Phantasie beginnt ihr Spiel; Auf seinem Haupt in jedes Haar Scheint Leben und Gefühl zu kommen. Mehr ist der Athem ihm benommen Als je vor Zeiten in Gefahr. Den Steinbock hat er oft gehetzt, Dem Lämmergeier sich gesellt, Und fröhlich pfeifend in die Welt Dann über'n Klippenspalt gesetzt. Ein Andres, dem Geschick sich stellen In frischer Luft, auf freien Wellen,
Wenn flieht ein Mondenſtrahl vorüber, Der die zerrißnen Wolken lichtet, Der bleichen Schläfer Reihn er ſtreift, Die rings in Niſchen aufgeſchichtet. Ein Antlitz halb dir zugewandt, Hier braunes Haar, und dort gebleicht, Aus jenem Winkel wie verſteckt Sich eines Fußes Spitze ſtreckt, Und dort ſich wächſern eine Hand Wie abgetrennt vom Körper zeigt. Wer iſt der Mann ſo unverzagt, Den ſolch ein Anblick nicht erſchüttert? Wenn über ihm, wie ſchmerzdurchzittert, Die mitternächt'ge Stimme klagt, Gleich Geiſtern durch der Nacht Revier. Ein heimlich Flüſtern ziſcht und kocht, Und an die ſchlecht verſchloßne Thür Der Wind mit leiſem Finger pocht. Dem alten Manne wird's zu viel, Die Phantaſie beginnt ihr Spiel; Auf ſeinem Haupt in jedes Haar Scheint Leben und Gefühl zu kommen. Mehr iſt der Athem ihm benommen Als je vor Zeiten in Gefahr. Den Steinbock hat er oft gehetzt, Dem Lämmergeier ſich geſellt, Und fröhlich pfeifend in die Welt Dann über'n Klippenſpalt geſetzt. Ein Andres, dem Geſchick ſich ſtellen In friſcher Luft, auf freien Wellen,
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Wenn flieht ein Mondenſtrahl vorüber,
Der die zerrißnen Wolken lichtet,
Der bleichen Schläfer Reihn er ſtreift,
Die rings in Niſchen aufgeſchichtet.
Ein Antlitz halb dir zugewandt,
Hier braunes Haar, und dort gebleicht,
Aus jenem Winkel wie verſteckt
Sich eines Fußes Spitze ſtreckt,
Und dort ſich wächſern eine Hand
Wie abgetrennt vom Körper zeigt.
Wer iſt der Mann ſo unverzagt,
Den ſolch ein Anblick nicht erſchüttert?
Wenn über ihm, wie ſchmerzdurchzittert,
Die mitternächt'ge Stimme klagt,
Gleich Geiſtern durch der Nacht Revier.
Ein heimlich Flüſtern ziſcht und kocht,
Und an die ſchlecht verſchloßne Thür
Der Wind mit leiſem Finger pocht.
Dem alten Manne wird's zu viel,
Die Phantaſie beginnt ihr Spiel;
Auf ſeinem Haupt in jedes Haar
Scheint Leben und Gefühl zu kommen.
Mehr iſt der Athem ihm benommen
Als je vor Zeiten in Gefahr.
Den Steinbock hat er oft gehetzt,
Dem Lämmergeier ſich geſellt,
Und fröhlich pfeifend in die Welt
Dann über'n Klippenſpalt geſetzt.
Ein Andres, dem Geſchick ſich ſtellen
In friſcher Luft, auf freien Wellen,
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/430>, abgerufen am 25.11.2024.
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