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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Das sind die Boten, die er kennt;
Vom Betstuhl, wo die Lampe brennt,
Der Mönch sich hebt, den Weg beginnt
Zum Tobel, wo der Sturzbach rinnt,
Zum Passe, wo der Schnee am höchsten,
Zum Steg, wo die Gefahr am nächsten,
Hinauf, hinab Sankt Bernhards Rund;
Voran ihm spürt sein kluger Hund.
Dann, kehrend zu des Klosters Pforte,
Die Nahrung, so er bei sich trägt,
Mit milder Sorgfalt wird gelegt
An sichre sturmgeschützte Orte.
Und oft, im letzten Augenblick,
Trat die gebrochne Kraft zurück
Durch sie in die versiegten Adern.
Wer mag mit solchen Mönchen hadern!
Welch' seelerstorbner Atheist
So frevler Thorheit sich vermißt,
Daß er auf sie die Pfeile richte?
Schau! wie, gleich neuentflammtem Lichte,
Das Kind des Glases volle Last
Mit beiden rothen Händchen faßt.
Nun setzt es an, und trinkt, und trinkt,
Durch alle Adern strömt das Heil,
Und läßt nicht ab, und stöhnt vor Eil,
Fast wird der Athem ihm versetzt.
Des Alten Auge freudig blinkt:
"Mein Junge, sprich, wie ist dir jetzt?"
Doch kaum und unverständlich nur
Des Kindes Antwort ihn erreicht,

Das ſind die Boten, die er kennt;
Vom Betſtuhl, wo die Lampe brennt,
Der Mönch ſich hebt, den Weg beginnt
Zum Tobel, wo der Sturzbach rinnt,
Zum Paſſe, wo der Schnee am höchſten,
Zum Steg, wo die Gefahr am nächſten,
Hinauf, hinab Sankt Bernhards Rund;
Voran ihm ſpürt ſein kluger Hund.
Dann, kehrend zu des Kloſters Pforte,
Die Nahrung, ſo er bei ſich trägt,
Mit milder Sorgfalt wird gelegt
An ſichre ſturmgeſchützte Orte.
Und oft, im letzten Augenblick,
Trat die gebrochne Kraft zurück
Durch ſie in die verſiegten Adern.
Wer mag mit ſolchen Mönchen hadern!
Welch' ſeelerſtorbner Atheiſt
So frevler Thorheit ſich vermißt,
Daß er auf ſie die Pfeile richte?
Schau! wie, gleich neuentflammtem Lichte,
Das Kind des Glaſes volle Laſt
Mit beiden rothen Händchen faßt.
Nun ſetzt es an, und trinkt, und trinkt‚
Durch alle Adern ſtrömt das Heil,
Und läßt nicht ab, und ſtöhnt vor Eil,
Faſt wird der Athem ihm verſetzt.
Des Alten Auge freudig blinkt:
„Mein Junge, ſprich, wie iſt dir jetzt?“
Doch kaum und unverſtändlich nur
Des Kindes Antwort ihn erreicht,

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[414/0428] Das ſind die Boten, die er kennt; Vom Betſtuhl, wo die Lampe brennt, Der Mönch ſich hebt, den Weg beginnt Zum Tobel, wo der Sturzbach rinnt, Zum Paſſe, wo der Schnee am höchſten, Zum Steg, wo die Gefahr am nächſten, Hinauf, hinab Sankt Bernhards Rund; Voran ihm ſpürt ſein kluger Hund. Dann, kehrend zu des Kloſters Pforte, Die Nahrung, ſo er bei ſich trägt, Mit milder Sorgfalt wird gelegt An ſichre ſturmgeſchützte Orte. Und oft, im letzten Augenblick, Trat die gebrochne Kraft zurück Durch ſie in die verſiegten Adern. Wer mag mit ſolchen Mönchen hadern! Welch' ſeelerſtorbner Atheiſt So frevler Thorheit ſich vermißt, Daß er auf ſie die Pfeile richte? Schau! wie, gleich neuentflammtem Lichte, Das Kind des Glaſes volle Laſt Mit beiden rothen Händchen faßt. Nun ſetzt es an, und trinkt, und trinkt‚ Durch alle Adern ſtrömt das Heil, Und läßt nicht ab, und ſtöhnt vor Eil, Faſt wird der Athem ihm verſetzt. Des Alten Auge freudig blinkt: „Mein Junge, ſprich, wie iſt dir jetzt?“ Doch kaum und unverſtändlich nur Des Kindes Antwort ihn erreicht,

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/428>, abgerufen am 22.11.2024.