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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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So eine Weile sitzen sie,
Der Knabe auf des Mannes Knie
In stummen Schauern an ihn biegend,
Der Alte, sich nach innen schmiegend,
Das Haupt am feuchten Mauerstein,
Und übermüdet, überwacht,
Hat minder der Umgebung Acht;
Minuten noch, so schläft er ein. --
Schon summt es um ihn wie ein Schwarm,
Der Mantel gleitet mit dem Arm;
Und als das Haupt zur Seite sinkt, --
"Großvater! ist das Glas? es blinkt!"
Der Alte fährt empor, er blickt
Verschüchtert seitwärts, unverrückt
Zu Boden dann: "sey still, sey still,
Mein Kind, es sey auch was es will."
Und seufzend fügt er noch hinzu:
"Es ist so spät! gib dich zur Ruh."
Doch wie ein Strahl es ihn durchfliegt,
Daß Schlaf den Willen fast besiegt.
Schon greift der Krampf die Glieder an:
Zu reiben gleich beginnt der Mann.
Und als das Blut nun schneller rinnt,
Er immer heller sich besinnt,
Auch der Gedanke Kraft gewinnt.
Was war es, das, vom Schlaf erwacht
So in Verwirrung ihn gebracht?
Es war ein Blitz, es war ein Licht!
Und dennoch war es beides nicht.

So eine Weile ſitzen ſie,
Der Knabe auf des Mannes Knie
In ſtummen Schauern an ihn biegend,
Der Alte, ſich nach innen ſchmiegend,
Das Haupt am feuchten Mauerſtein,
Und übermüdet, überwacht,
Hat minder der Umgebung Acht;
Minuten noch, ſo ſchläft er ein. —
Schon ſummt es um ihn wie ein Schwarm,
Der Mantel gleitet mit dem Arm;
Und als das Haupt zur Seite ſinkt, —
„Großvater! iſt das Glas? es blinkt!“
Der Alte fährt empor, er blickt
Verſchüchtert ſeitwärts, unverrückt
Zu Boden dann: „ſey ſtill, ſey ſtill,
Mein Kind, es ſey auch was es will.“
Und ſeufzend fügt er noch hinzu:
„Es iſt ſo ſpät! gib dich zur Ruh.“
Doch wie ein Strahl es ihn durchfliegt,
Daß Schlaf den Willen faſt beſiegt.
Schon greift der Krampf die Glieder an:
Zu reiben gleich beginnt der Mann.
Und als das Blut nun ſchneller rinnt,
Er immer heller ſich beſinnt,
Auch der Gedanke Kraft gewinnt.
Was war es, das, vom Schlaf erwacht
So in Verwirrung ihn gebracht?
Es war ein Blitz, es war ein Licht!
Und dennoch war es beides nicht.

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[411/0425] So eine Weile ſitzen ſie, Der Knabe auf des Mannes Knie In ſtummen Schauern an ihn biegend, Der Alte, ſich nach innen ſchmiegend, Das Haupt am feuchten Mauerſtein, Und übermüdet, überwacht, Hat minder der Umgebung Acht; Minuten noch, ſo ſchläft er ein. — Schon ſummt es um ihn wie ein Schwarm, Der Mantel gleitet mit dem Arm; Und als das Haupt zur Seite ſinkt, — „Großvater! iſt das Glas? es blinkt!“ Der Alte fährt empor, er blickt Verſchüchtert ſeitwärts, unverrückt Zu Boden dann: „ſey ſtill, ſey ſtill, Mein Kind, es ſey auch was es will.“ Und ſeufzend fügt er noch hinzu: „Es iſt ſo ſpät! gib dich zur Ruh.“ Doch wie ein Strahl es ihn durchfliegt, Daß Schlaf den Willen faſt beſiegt. Schon greift der Krampf die Glieder an: Zu reiben gleich beginnt der Mann. Und als das Blut nun ſchneller rinnt, Er immer heller ſich beſinnt, Auch der Gedanke Kraft gewinnt. Was war es, das, vom Schlaf erwacht So in Verwirrung ihn gebracht? Es war ein Blitz, es war ein Licht! Und dennoch war es beides nicht.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/425>, abgerufen am 22.11.2024.