Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Und mit dem zwölften Schlage hat der Wolkenmantel sich gebreitet, Der immer höher, riesig hoch, sich um die Himmelskuppel weitet, Und, horch! -- ein langgedehnter Schrei, des Hahnes mitter¬ nächt'ge Klage; Im selbigen Moment erbebt und lischt der Schein am Sar¬ kophage, Und Engel, Drache, Flammenschwert, Sind in die wüste Nacht gekehrt. IV. Ho! Gläserklang und Jubelsang und "Hurrah hoch!" fährt's durch die Scheiben, Getroffen schwankt der goldne Leu, die Buben aus einander stäuben, Und drängen sich und balgen sich das fliegende Confekt zu fangen; Ein Glas, 'ne Frucht, 'ne Börse gar, die blieb am Speer des Schildes hangen, Und schreiend nach der Stange sticht Das kleine gierige Gezücht. Da klirrt aus des Balkones Thür ein Mann mit Gert' und Eisensporen, Ihm nach ein Andrer, Flasch' im Arm, in Rausches Selig¬ keit verloren, "Gesindel!" ruft der Eine: "halt! ich will euch lehren Börsen stechen!" Und mit dem zwölften Schlage hat der Wolkenmantel ſich gebreitet, Der immer höher, rieſig hoch, ſich um die Himmelskuppel weitet, Und, horch! — ein langgedehnter Schrei, des Hahnes mitter¬ nächt'ge Klage; Im ſelbigen Moment erbebt und liſcht der Schein am Sar¬ kophage, Und Engel, Drache, Flammenſchwert, Sind in die wüſte Nacht gekehrt. IV. Ho! Gläſerklang und Jubelſang und „Hurrah hoch!“ fährt's durch die Scheiben, Getroffen ſchwankt der goldne Leu, die Buben aus einander ſtäuben, Und drängen ſich und balgen ſich das fliegende Confekt zu fangen; Ein Glas, 'ne Frucht, 'ne Börſe gar, die blieb am Speer des Schildes hangen, Und ſchreiend nach der Stange ſticht Das kleine gierige Gezücht. Da klirrt aus des Balkones Thür ein Mann mit Gert' und Eiſenſporen, Ihm nach ein Andrer, Flaſch' im Arm, in Rauſches Selig¬ keit verloren, „Geſindel!“ ruft der Eine: „halt! ich will euch lehren Börſen ſtechen!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0395" n="381"/> <lg n="8"> <l>Und mit dem zwölften Schlage hat der Wolkenmantel ſich</l><lb/> <l>gebreitet,</l><lb/> <l>Der immer höher, rieſig hoch, ſich um die Himmelskuppel</l><lb/> <l>weitet,</l><lb/> <l>Und, horch! — ein langgedehnter Schrei, des Hahnes mitter¬</l><lb/> <l>nächt'ge Klage;</l><lb/> <l>Im ſelbigen Moment erbebt und liſcht der Schein am Sar¬</l><lb/> <l>kophage,</l><lb/> <l>Und Engel, Drache, Flammenſchwert,</l><lb/> <l>Sind in die wüſte Nacht gekehrt.</l><lb/> </lg> </lg> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq #b">IV</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ho! Gläſerklang und Jubelſang und „Hurrah hoch!“ fährt's</l><lb/> <l>durch die Scheiben,</l><lb/> <l>Getroffen ſchwankt der goldne Leu, die Buben aus einander</l><lb/> <l>ſtäuben,</l><lb/> <l>Und drängen ſich und balgen ſich das fliegende Confekt zu</l><lb/> <l>fangen;</l><lb/> <l>Ein Glas, 'ne Frucht, 'ne Börſe gar, die blieb am Speer</l><lb/> <l>des Schildes hangen,</l><lb/> <l>Und ſchreiend nach der Stange ſticht</l><lb/> <l>Das kleine gierige Gezücht.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Da klirrt aus des Balkones Thür ein Mann mit Gert' und</l><lb/> <l>Eiſenſporen,</l><lb/> <l>Ihm nach ein Andrer, Flaſch' im Arm, in Rauſches Selig¬</l><lb/> <l>keit verloren,</l><lb/> <l>„Geſindel!“ ruft der Eine: „halt! ich will euch lehren Börſen</l><lb/> <l>ſtechen!“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [381/0395]
Und mit dem zwölften Schlage hat der Wolkenmantel ſich
gebreitet,
Der immer höher, rieſig hoch, ſich um die Himmelskuppel
weitet,
Und, horch! — ein langgedehnter Schrei, des Hahnes mitter¬
nächt'ge Klage;
Im ſelbigen Moment erbebt und liſcht der Schein am Sar¬
kophage,
Und Engel, Drache, Flammenſchwert,
Sind in die wüſte Nacht gekehrt.
IV.
Ho! Gläſerklang und Jubelſang und „Hurrah hoch!“ fährt's
durch die Scheiben,
Getroffen ſchwankt der goldne Leu, die Buben aus einander
ſtäuben,
Und drängen ſich und balgen ſich das fliegende Confekt zu
fangen;
Ein Glas, 'ne Frucht, 'ne Börſe gar, die blieb am Speer
des Schildes hangen,
Und ſchreiend nach der Stange ſticht
Das kleine gierige Gezücht.
Da klirrt aus des Balkones Thür ein Mann mit Gert' und
Eiſenſporen,
Ihm nach ein Andrer, Flaſch' im Arm, in Rauſches Selig¬
keit verloren,
„Geſindel!“ ruft der Eine: „halt! ich will euch lehren Börſen
ſtechen!“
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