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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Ich habe ihm nicht Lebewohl gesagt,
Und nicht seine Hand geküßt,
Doch heißt es, daß er in dieser Nacht
Am Bettchen gestanden ist.
Und bei des nächsten Morgens Erglühen,
Das Erste was meine Augen sahn,
Das war an unserem Lager knieen
Den tief erschütterten Sakristan.
Dem ward in der Früh' ein Brief gebracht,
Und dann ein Schlüsselchen noch;
"Ich will nicht lesen," hat er gedacht
Und zögerte, las dann doch
Den Brief, in letzter Stunde geschrieben
Von meines unglücklichen Vaters Hand,
Der fest im Herzen mir ist geblieben,
Obwohl mein Bruder ihn einst verbrannt.
"Was mich betroffen, das sag' ich nicht,
Eh dorre die Zunge aus!
Doch ist es ein bitter, ein schwer Gericht,
Und treibt mich von Hof und Haus.
In dem Closete da sind gelegen
Papiere, Wechsel, Briefe dabei.
Dir will ich auf deine Seele legen
Meine zwei Buben, denn du bist treu.
Sorg' nicht um mich, was ich bedarf
Deß hab ich genügend noch,
Und forsch auch nimmer, -- ich warne scharf --
Nach mir, es tröge dich doch.
Ich habe ihm nicht Lebewohl geſagt,
Und nicht ſeine Hand geküßt,
Doch heißt es, daß er in dieſer Nacht
Am Bettchen geſtanden iſt.
Und bei des nächſten Morgens Erglühen,
Das Erſte was meine Augen ſahn,
Das war an unſerem Lager knieen
Den tief erſchütterten Sakriſtan.
Dem ward in der Früh' ein Brief gebracht,
Und dann ein Schlüſſelchen noch;
„Ich will nicht leſen,“ hat er gedacht
Und zögerte, las dann doch
Den Brief, in letzter Stunde geſchrieben
Von meines unglücklichen Vaters Hand,
Der feſt im Herzen mir iſt geblieben,
Obwohl mein Bruder ihn einſt verbrannt.
„Was mich betroffen, das ſag' ich nicht,
Eh dorre die Zunge aus!
Doch iſt es ein bitter, ein ſchwer Gericht,
Und treibt mich von Hof und Haus.
In dem Cloſete da ſind gelegen
Papiere, Wechſel, Briefe dabei.
Dir will ich auf deine Seele legen
Meine zwei Buben, denn du biſt treu.
Sorg' nicht um mich, was ich bedarf
Deß hab ich genügend noch,
Und forſch auch nimmer, — ich warne ſcharf —
Nach mir, es tröge dich doch.
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[349/0363] Ich habe ihm nicht Lebewohl geſagt, Und nicht ſeine Hand geküßt, Doch heißt es, daß er in dieſer Nacht Am Bettchen geſtanden iſt. Und bei des nächſten Morgens Erglühen, Das Erſte was meine Augen ſahn, Das war an unſerem Lager knieen Den tief erſchütterten Sakriſtan. Dem ward in der Früh' ein Brief gebracht, Und dann ein Schlüſſelchen noch; „Ich will nicht leſen,“ hat er gedacht Und zögerte, las dann doch Den Brief, in letzter Stunde geſchrieben Von meines unglücklichen Vaters Hand, Der feſt im Herzen mir iſt geblieben, Obwohl mein Bruder ihn einſt verbrannt. „Was mich betroffen, das ſag' ich nicht, Eh dorre die Zunge aus! Doch iſt es ein bitter, ein ſchwer Gericht, Und treibt mich von Hof und Haus. In dem Cloſete da ſind gelegen Papiere, Wechſel, Briefe dabei. Dir will ich auf deine Seele legen Meine zwei Buben, denn du biſt treu. Sorg' nicht um mich, was ich bedarf Deß hab ich genügend noch, Und forſch auch nimmer, — ich warne ſcharf — Nach mir, es tröge dich doch.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/363>, abgerufen am 22.11.2024.