Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Noch liegt der Kranke am Verdecke,
Um seinen Balken fest geklemmt,
Da kömmt die Fluth, und eine Strecke
Wird er in's wüste Meer geschwemmt.
Was nicht geläng' der Kräfte Sporne,
Das leistet ihm der starre Krampf,
Und wie ein Narwall mit dem Horne
Schießt fort er durch der Wellen Dampf.
Wie lange so? er weiß es nimmer,
Dann trifft ein Stral des Auges Ball,
Und langsam schwimmt er mit der Trümmer
Auf ödem glitzerndem Kristall.
Das Schiff! -- die Mannschaft! -- sie versanken.
Doch nein, dort auf der Wasserbahn,
Dort sieht den Passagier er schwanken
In einer Kiste morschem Kahn.
Armselge Lade! sie wird sinken,
Er strengt die heisre Stimme an:
"Nur grade! Freund, du drückst zur Linken!"
Und immer näher schwankt's heran,
Und immer näher treibt die Trümmer,
Wie ein verwehtes Mövennest;
"Courage!" ruft der kranke Schwimmer,
"Mich dünkt ich sehe Land im West!"
Nun rühren sich der Fähren Ende,
Er sieht des fremden Auges Blitz,
Da plötzlich fühlt er starke Hände,
Fühlt wüthend sich gezerrt vom Sitz.
Noch liegt der Kranke am Verdecke,
Um ſeinen Balken feſt geklemmt,
Da kömmt die Fluth, und eine Strecke
Wird er in's wüſte Meer geſchwemmt.
Was nicht geläng' der Kräfte Sporne,
Das leiſtet ihm der ſtarre Krampf,
Und wie ein Narwall mit dem Horne
Schießt fort er durch der Wellen Dampf.
Wie lange ſo? er weiß es nimmer,
Dann trifft ein Stral des Auges Ball,
Und langſam ſchwimmt er mit der Trümmer
Auf ödem glitzerndem Kriſtall.
Das Schiff! — die Mannſchaft! — ſie verſanken.
Doch nein, dort auf der Waſſerbahn,
Dort ſieht den Paſſagier er ſchwanken
In einer Kiſte morſchem Kahn.
Armſelge Lade! ſie wird ſinken,
Er ſtrengt die heiſre Stimme an:
„Nur grade! Freund, du drückſt zur Linken!“
Und immer näher ſchwankt's heran,
Und immer näher treibt die Trümmer,
Wie ein verwehtes Mövenneſt;
»Courage!« ruft der kranke Schwimmer,
„Mich dünkt ich ſehe Land im Weſt!“
Nun rühren ſich der Fähren Ende,
Er ſieht des fremden Auges Blitz,
Da plötzlich fühlt er ſtarke Hände,
Fühlt wüthend ſich gezerrt vom Sitz.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0354" n="340"/>
              <lg n="4">
                <l>Noch liegt der Kranke am Verdecke,</l><lb/>
                <l>Um &#x017F;einen Balken fe&#x017F;t geklemmt,</l><lb/>
                <l>Da kömmt die Fluth, und eine Strecke</l><lb/>
                <l>Wird er in's wü&#x017F;te Meer ge&#x017F;chwemmt.</l><lb/>
                <l>Was nicht geläng' der Kräfte Sporne,</l><lb/>
                <l>Das lei&#x017F;tet ihm der &#x017F;tarre Krampf,</l><lb/>
                <l>Und wie ein Narwall mit dem Horne</l><lb/>
                <l>Schießt fort er durch der Wellen Dampf.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="5">
                <l>Wie lange &#x017F;o? er weiß es nimmer,</l><lb/>
                <l>Dann trifft ein Stral des Auges Ball,</l><lb/>
                <l>Und lang&#x017F;am &#x017F;chwimmt er mit der Trümmer</l><lb/>
                <l>Auf ödem glitzerndem Kri&#x017F;tall.</l><lb/>
                <l>Das Schiff! &#x2014; die Mann&#x017F;chaft! &#x2014; &#x017F;ie ver&#x017F;anken.</l><lb/>
                <l>Doch nein, dort auf der Wa&#x017F;&#x017F;erbahn,</l><lb/>
                <l>Dort &#x017F;ieht den Pa&#x017F;&#x017F;agier er &#x017F;chwanken</l><lb/>
                <l>In einer Ki&#x017F;te mor&#x017F;chem Kahn.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="6">
                <l>Arm&#x017F;elge Lade! &#x017F;ie wird &#x017F;inken,</l><lb/>
                <l>Er &#x017F;trengt die hei&#x017F;re Stimme an:</l><lb/>
                <l>&#x201E;Nur grade! Freund, du drück&#x017F;t zur Linken!&#x201C;</l><lb/>
                <l>Und immer näher &#x017F;chwankt's heran,</l><lb/>
                <l>Und immer näher treibt die Trümmer,</l><lb/>
                <l>Wie ein verwehtes Mövenne&#x017F;t;</l><lb/>
                <l>»<hi rendition="#aq">Courage</hi>!« ruft der kranke Schwimmer,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Mich dünkt ich &#x017F;ehe Land im We&#x017F;t!&#x201C;</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="7">
                <l>Nun rühren &#x017F;ich der Fähren Ende,</l><lb/>
                <l>Er &#x017F;ieht des fremden Auges Blitz,</l><lb/>
                <l>Da plötzlich fühlt er &#x017F;tarke Hände,</l><lb/>
                <l>Fühlt wüthend &#x017F;ich gezerrt vom Sitz.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0354] Noch liegt der Kranke am Verdecke, Um ſeinen Balken feſt geklemmt, Da kömmt die Fluth, und eine Strecke Wird er in's wüſte Meer geſchwemmt. Was nicht geläng' der Kräfte Sporne, Das leiſtet ihm der ſtarre Krampf, Und wie ein Narwall mit dem Horne Schießt fort er durch der Wellen Dampf. Wie lange ſo? er weiß es nimmer, Dann trifft ein Stral des Auges Ball, Und langſam ſchwimmt er mit der Trümmer Auf ödem glitzerndem Kriſtall. Das Schiff! — die Mannſchaft! — ſie verſanken. Doch nein, dort auf der Waſſerbahn, Dort ſieht den Paſſagier er ſchwanken In einer Kiſte morſchem Kahn. Armſelge Lade! ſie wird ſinken, Er ſtrengt die heiſre Stimme an: „Nur grade! Freund, du drückſt zur Linken!“ Und immer näher ſchwankt's heran, Und immer näher treibt die Trümmer, Wie ein verwehtes Mövenneſt; »Courage!« ruft der kranke Schwimmer, „Mich dünkt ich ſehe Land im Weſt!“ Nun rühren ſich der Fähren Ende, Er ſieht des fremden Auges Blitz, Da plötzlich fühlt er ſtarke Hände, Fühlt wüthend ſich gezerrt vom Sitz.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/354
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/354>, abgerufen am 25.11.2024.