Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Am grauen Halse grauer Kragen,
Das Richtmaaß in der Aschenhand.
Durch seine Glieder zitternd geht
Der Stral wie in verhaltner Trauer,
Doch an dem Estrich, an der Mauer
Kein Schatten steht.

Es wiegt das Haupt nach allen Seiten,
Unhörbar schwebt es durch den Raum,
Nun sieh es um die Säulen gleiten,
Nun fährt es an der Orgel Saum;
Und aller Orten legt es an
Sein Richtmaaß, webert auf und nieder,
Und leise zuckt das Spiel der Glieder,
Wie Rauch im Tann. --
War das der Nacht gewalt'ger Odem? --
Ein weit zerflossner Seufzerhall,
Ein Zitterlaut, ein Grabesbrodem
Durchquillt die öden Räume all:
Und an der Pforte, himmelan
Das Männlein ringt die Hand, die fahle,
Dann gleitet's aufwärts am Portale --
Es steht am Krahn.
Und über die entschlafnen Wellen
Die Hand es mit dem Richtmaaß streckt;
Ihr Schlangenleib beginnt zu schwellen,
Sie brodeln auf, wie halb geweckt;

Am grauen Halſe grauer Kragen,
Das Richtmaaß in der Aſchenhand.
Durch ſeine Glieder zitternd geht
Der Stral wie in verhaltner Trauer,
Doch an dem Eſtrich, an der Mauer
Kein Schatten ſteht.

Es wiegt das Haupt nach allen Seiten,
Unhörbar ſchwebt es durch den Raum,
Nun ſieh es um die Säulen gleiten,
Nun fährt es an der Orgel Saum;
Und aller Orten legt es an
Sein Richtmaaß, webert auf und nieder,
Und leiſe zuckt das Spiel der Glieder,
Wie Rauch im Tann. —
War das der Nacht gewalt'ger Odem? —
Ein weit zerfloſſner Seufzerhall,
Ein Zitterlaut, ein Grabesbrodem
Durchquillt die öden Räume all:
Und an der Pforte, himmelan
Das Männlein ringt die Hand, die fahle,
Dann gleitet's aufwärts am Portale —
Es ſteht am Krahn.
Und über die entſchlafnen Wellen
Die Hand es mit dem Richtmaaß ſtreckt;
Ihr Schlangenleib beginnt zu ſchwellen,
Sie brodeln auf, wie halb geweckt;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="7">
              <pb facs="#f0350" n="336"/>
              <l>Am grauen Hal&#x017F;e grauer Kragen,</l><lb/>
              <l>Das Richtmaaß in der A&#x017F;chenhand.</l><lb/>
              <l>Durch &#x017F;eine Glieder zitternd geht</l><lb/>
              <l>Der Stral wie in verhaltner Trauer,</l><lb/>
              <l>Doch an dem E&#x017F;trich, an der Mauer</l><lb/>
              <l>Kein Schatten &#x017F;teht.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="8">
              <l>Es wiegt das Haupt nach allen Seiten,</l><lb/>
              <l>Unhörbar &#x017F;chwebt es durch den Raum,</l><lb/>
              <l>Nun &#x017F;ieh es um die Säulen gleiten,</l><lb/>
              <l>Nun fährt es an der Orgel Saum;</l><lb/>
              <l>Und aller Orten legt es an</l><lb/>
              <l>Sein Richtmaaß, webert auf und nieder,</l><lb/>
              <l>Und lei&#x017F;e zuckt das Spiel der Glieder,</l><lb/>
              <l>Wie Rauch im Tann. &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="9">
              <l>War das der Nacht gewalt'ger Odem? &#x2014;</l><lb/>
              <l>Ein weit zerflo&#x017F;&#x017F;ner Seufzerhall,</l><lb/>
              <l>Ein Zitterlaut, ein Grabesbrodem</l><lb/>
              <l>Durchquillt die öden Räume all:</l><lb/>
              <l>Und an der Pforte, himmelan</l><lb/>
              <l>Das Männlein ringt die Hand, die fahle,</l><lb/>
              <l>Dann gleitet's aufwärts am Portale &#x2014;</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;teht am Krahn.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="10">
              <l>Und über die ent&#x017F;chlafnen Wellen</l><lb/>
              <l>Die Hand es mit dem Richtmaaß &#x017F;treckt;</l><lb/>
              <l>Ihr Schlangenleib beginnt zu &#x017F;chwellen,</l><lb/>
              <l>Sie brodeln auf, wie halb geweckt;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0350] Am grauen Halſe grauer Kragen, Das Richtmaaß in der Aſchenhand. Durch ſeine Glieder zitternd geht Der Stral wie in verhaltner Trauer, Doch an dem Eſtrich, an der Mauer Kein Schatten ſteht. Es wiegt das Haupt nach allen Seiten, Unhörbar ſchwebt es durch den Raum, Nun ſieh es um die Säulen gleiten, Nun fährt es an der Orgel Saum; Und aller Orten legt es an Sein Richtmaaß, webert auf und nieder, Und leiſe zuckt das Spiel der Glieder, Wie Rauch im Tann. — War das der Nacht gewalt'ger Odem? — Ein weit zerfloſſner Seufzerhall, Ein Zitterlaut, ein Grabesbrodem Durchquillt die öden Räume all: Und an der Pforte, himmelan Das Männlein ringt die Hand, die fahle, Dann gleitet's aufwärts am Portale — Es ſteht am Krahn. Und über die entſchlafnen Wellen Die Hand es mit dem Richtmaaß ſtreckt; Ihr Schlangenleib beginnt zu ſchwellen, Sie brodeln auf, wie halb geweckt;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/350
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/350>, abgerufen am 22.11.2024.