Doch seht euch vor wie hoch die Schwingen tragen, Stellt nicht das Ziel in ungemessne Weiten, Der kecke Falk ist überall zu finden, Doch einsam steigt der Aar aus Alpengründen.
Vor Allem aber pflegt das anvertraute, Das heilge Gut, gelegt in eure Hände, Weckt der Natur geheimnißreichste Laute, Kniet vor des Blutes gnadenvoller Spende; Des Tempels pflegt, den Menschenhand nicht baute, Und schmückt mit Sprüchen die entweihten Wände, Daß dort, aus dieser Wirren Staub und Mühen, Die Gattin mag, das Kind, die Mutter knieen.
Ihr hörtet sie die unterdrückten Klagen Der heiligen Natur, geprägt zur Dirne. Wer hat sie nicht gehört in diesen Tagen, Wo nur ein Gott, der Gott im eignen Hirne? Frischauf! -- und will den Lorbeer man versagen, O Glückliche mit unbekränzter Stirne! O arm Gefühl, das sich nicht selbst kann lohnen! Mehr ist ein Segen als zehntausend Kronen!
Doch ſeht euch vor wie hoch die Schwingen tragen, Stellt nicht das Ziel in ungemeſſne Weiten, Der kecke Falk iſt überall zu finden, Doch einſam ſteigt der Aar aus Alpengründen.
Vor Allem aber pflegt das anvertraute, Das heilge Gut, gelegt in eure Hände, Weckt der Natur geheimnißreichſte Laute, Kniet vor des Blutes gnadenvoller Spende; Des Tempels pflegt, den Menſchenhand nicht baute, Und ſchmückt mit Sprüchen die entweihten Wände, Daß dort, aus dieſer Wirren Staub und Mühen, Die Gattin mag, das Kind, die Mutter knieen.
Ihr hörtet ſie die unterdrückten Klagen Der heiligen Natur, geprägt zur Dirne. Wer hat ſie nicht gehört in dieſen Tagen, Wo nur ein Gott, der Gott im eignen Hirne? Friſchauf! — und will den Lorbeer man verſagen, O Glückliche mit unbekränzter Stirne! O arm Gefühl, das ſich nicht ſelbſt kann lohnen! Mehr iſt ein Segen als zehntauſend Kronen!
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Doch ſeht euch vor wie hoch die Schwingen tragen,
Stellt nicht das Ziel in ungemeſſne Weiten,
Der kecke Falk iſt überall zu finden,
Doch einſam ſteigt der Aar aus Alpengründen.
Vor Allem aber pflegt das anvertraute,
Das heilge Gut, gelegt in eure Hände,
Weckt der Natur geheimnißreichſte Laute,
Kniet vor des Blutes gnadenvoller Spende;
Des Tempels pflegt, den Menſchenhand nicht baute,
Und ſchmückt mit Sprüchen die entweihten Wände,
Daß dort, aus dieſer Wirren Staub und Mühen,
Die Gattin mag, das Kind, die Mutter knieen.
Ihr hörtet ſie die unterdrückten Klagen
Der heiligen Natur, geprägt zur Dirne.
Wer hat ſie nicht gehört in dieſen Tagen,
Wo nur ein Gott, der Gott im eignen Hirne?
Friſchauf! — und will den Lorbeer man verſagen,
O Glückliche mit unbekränzter Stirne!
O arm Gefühl, das ſich nicht ſelbſt kann lohnen!
Mehr iſt ein Segen als zehntauſend Kronen!
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/35>, abgerufen am 03.10.2024.
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