Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.So niederkämpfend des Herzens Schlag, Hält sie den Odem, sie lauscht, sie neigt -- Was dämmert ihr zur Seite gemach? Ein Glühwurmleuchten -- es schwillt, es steigt, Und Arm an Arme, auf Schrittes Weite, Lehnt das Gespenst an der Pforte Breite, Gleich ihr zur Nachbarspalte gebeugt. Sie fährt zurück, -- das Gebilde auch -- Dann tritt sie näher -- so die Gestalt -- Nun stehen die Beiden, Auge in Aug', Und bohren sich an mit Vampyres Gewalt. Das gleiche Häubchen decket die Locken, Das gleiche Linnen, wie Schneees Flocken, Gleich ordnungslos um die Glieder wallt. Langsam das Fräulein die Rechte streckt, Und langsam, wie aus der Spiegelwand, Sich Linie um Linie entgegen reckt Mit gleichem Rubine die gleiche Hand; Nun rührt sich's -- die Lebendige spüret Als ob ein Luftzug schneidend sie rühret, Der Schemen dämmert, -- zerrinnt -- entschwand. Und wo im Saale der Reihen fliegt, Da siehst ein Mädchen du, schön und wild, -- Vor Jahren hat's eine Weile gesiecht -- Das stets in den Handschuh die Rechte hüllt. Man sagt, kalt sey sie wie Eises Flimmer, Doch lustig die Maid, sie hieß ja immer: "Das tolle Fräulein von Rodenschild." So niederkämpfend des Herzens Schlag, Hält ſie den Odem, ſie lauſcht, ſie neigt — Was dämmert ihr zur Seite gemach? Ein Glühwurmleuchten — es ſchwillt, es ſteigt, Und Arm an Arme, auf Schrittes Weite, Lehnt das Geſpenſt an der Pforte Breite, Gleich ihr zur Nachbarſpalte gebeugt. Sie fährt zurück, — das Gebilde auch — Dann tritt ſie näher — ſo die Geſtalt — Nun ſtehen die Beiden, Auge in Aug', Und bohren ſich an mit Vampyres Gewalt. Das gleiche Häubchen decket die Locken, Das gleiche Linnen, wie Schneees Flocken, Gleich ordnungslos um die Glieder wallt. Langſam das Fräulein die Rechte ſtreckt, Und langſam, wie aus der Spiegelwand, Sich Linie um Linie entgegen reckt Mit gleichem Rubine die gleiche Hand; Nun rührt ſich's — die Lebendige ſpüret Als ob ein Luftzug ſchneidend ſie rühret, Der Schemen dämmert, — zerrinnt — entſchwand. Und wo im Saale der Reihen fliegt, Da ſiehſt ein Mädchen du, ſchön und wild, — Vor Jahren hat's eine Weile geſiecht — Das ſtets in den Handſchuh die Rechte hüllt. Man ſagt, kalt ſey ſie wie Eiſes Flimmer, Doch luſtig die Maid, ſie hieß ja immer: „Das tolle Fräulein von Rodenſchild.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0331" n="317"/> <lg n="12"> <l>So niederkämpfend des Herzens Schlag,</l><lb/> <l>Hält ſie den Odem, ſie lauſcht, ſie neigt —</l><lb/> <l>Was dämmert ihr zur Seite gemach?</l><lb/> <l>Ein Glühwurmleuchten — es ſchwillt, es ſteigt,</l><lb/> <l>Und Arm an Arme, auf Schrittes Weite,</l><lb/> <l>Lehnt das Geſpenſt an der Pforte Breite,</l><lb/> <l>Gleich ihr zur Nachbarſpalte gebeugt.</l><lb/> </lg> <lg n="13"> <l>Sie fährt zurück, — das Gebilde auch —</l><lb/> <l>Dann tritt ſie näher — ſo die Geſtalt —</l><lb/> <l>Nun ſtehen die Beiden, Auge in Aug',</l><lb/> <l>Und bohren ſich an mit Vampyres Gewalt.</l><lb/> <l>Das gleiche Häubchen decket die Locken,</l><lb/> <l>Das gleiche Linnen, wie Schneees Flocken,</l><lb/> <l>Gleich ordnungslos um die Glieder wallt.</l><lb/> </lg> <lg n="14"> <l>Langſam das Fräulein die Rechte ſtreckt,</l><lb/> <l>Und langſam, wie aus der Spiegelwand,</l><lb/> <l>Sich Linie um Linie entgegen reckt</l><lb/> <l>Mit gleichem Rubine die gleiche Hand;</l><lb/> <l>Nun rührt ſich's — die Lebendige ſpüret</l><lb/> <l>Als ob ein Luftzug ſchneidend ſie rühret,</l><lb/> <l>Der Schemen dämmert, — zerrinnt — entſchwand.</l><lb/> </lg> <lg n="15"> <l>Und wo im Saale der Reihen fliegt,</l><lb/> <l>Da ſiehſt ein Mädchen du, ſchön und wild,</l><lb/> <l>— Vor Jahren hat's eine Weile geſiecht —</l><lb/> <l>Das ſtets in den Handſchuh die Rechte hüllt.</l><lb/> <l>Man ſagt, kalt ſey ſie wie Eiſes Flimmer,</l><lb/> <l>Doch luſtig die Maid, ſie hieß ja immer:</l><lb/> <l>„Das tolle Fräulein von Rodenſchild.“</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [317/0331]
So niederkämpfend des Herzens Schlag,
Hält ſie den Odem, ſie lauſcht, ſie neigt —
Was dämmert ihr zur Seite gemach?
Ein Glühwurmleuchten — es ſchwillt, es ſteigt,
Und Arm an Arme, auf Schrittes Weite,
Lehnt das Geſpenſt an der Pforte Breite,
Gleich ihr zur Nachbarſpalte gebeugt.
Sie fährt zurück, — das Gebilde auch —
Dann tritt ſie näher — ſo die Geſtalt —
Nun ſtehen die Beiden, Auge in Aug',
Und bohren ſich an mit Vampyres Gewalt.
Das gleiche Häubchen decket die Locken,
Das gleiche Linnen, wie Schneees Flocken,
Gleich ordnungslos um die Glieder wallt.
Langſam das Fräulein die Rechte ſtreckt,
Und langſam, wie aus der Spiegelwand,
Sich Linie um Linie entgegen reckt
Mit gleichem Rubine die gleiche Hand;
Nun rührt ſich's — die Lebendige ſpüret
Als ob ein Luftzug ſchneidend ſie rühret,
Der Schemen dämmert, — zerrinnt — entſchwand.
Und wo im Saale der Reihen fliegt,
Da ſiehſt ein Mädchen du, ſchön und wild,
— Vor Jahren hat's eine Weile geſiecht —
Das ſtets in den Handſchuh die Rechte hüllt.
Man ſagt, kalt ſey ſie wie Eiſes Flimmer,
Doch luſtig die Maid, ſie hieß ja immer:
„Das tolle Fräulein von Rodenſchild.“
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