O dunkel die Nacht! und schaurig der Wind! Die Fahnen wirbeln am knarrenden Thor, -- Da tritt aus der Halle das Hausgesind' Mit Blendlaternen und einzeln vor. Der Pförtner dehnet sich, halb schon träumend, Am Dochte zupfet der Jäger säumend, Und wie ein Oger gähnet der Mohr.
Was ist? -- wie das auseinander schnellt! In Reihen ordnen die Männer sich, Und eine Wacht vor die Dirnen stellt Die graue Zofe sich ehrbarlich, "Ward ich gesehn an des Vorhangs Lücke? Doch nein, zum Balkone starren die Blicke, Nun langsam wenden die Häupter sich."
"O weh meine Augen! bin ich verrückt? Was gleitet entlang das Treppengeländ? Hab' ich nicht so aus dem Spiegel geblickt? Das sind meine Glieder, -- welch ein Geblend'! Nun hebt es die Hände, wie Zwirnes Flocken, Das ist mein Strich über Stirn und Locken! -- Weh, bin ich toll, oder nahet mein End'!"
Das Fräulein erbleicht und wieder erglüht, Das Fräulein wendet die Blicke nicht, Und leise rührend die Stufen zieht Am Steingelände das Nebelgesicht, In seiner Rechten trägt es die Lampe, Ihr Flämmchen zittert über der Rampe, Verdämmernd, blau, wie ein Elfenlicht.
O dunkel die Nacht! und ſchaurig der Wind! Die Fahnen wirbeln am knarrenden Thor, — Da tritt aus der Halle das Hausgeſind' Mit Blendlaternen und einzeln vor. Der Pförtner dehnet ſich, halb ſchon träumend, Am Dochte zupfet der Jäger ſäumend, Und wie ein Oger gähnet der Mohr.
Was iſt? — wie das auseinander ſchnellt! In Reihen ordnen die Männer ſich, Und eine Wacht vor die Dirnen ſtellt Die graue Zofe ſich ehrbarlich, „Ward ich geſehn an des Vorhangs Lücke? Doch nein, zum Balkone ſtarren die Blicke, Nun langſam wenden die Häupter ſich.“
„O weh meine Augen! bin ich verrückt? Was gleitet entlang das Treppengeländ? Hab' ich nicht ſo aus dem Spiegel geblickt? Das ſind meine Glieder, — welch ein Geblend'! Nun hebt es die Hände, wie Zwirnes Flocken, Das iſt mein Strich über Stirn und Locken! — Weh, bin ich toll, oder nahet mein End'!“
Das Fräulein erbleicht und wieder erglüht, Das Fräulein wendet die Blicke nicht, Und leiſe rührend die Stufen zieht Am Steingelände das Nebelgeſicht, In ſeiner Rechten trägt es die Lampe, Ihr Flämmchen zittert über der Rampe, Verdämmernd, blau, wie ein Elfenlicht.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0329"n="315"/><lgn="4"><l>O dunkel die Nacht! und ſchaurig der Wind!</l><lb/><l>Die Fahnen wirbeln am knarrenden Thor, —</l><lb/><l>Da tritt aus der Halle das Hausgeſind'</l><lb/><l>Mit Blendlaternen und einzeln vor.</l><lb/><l>Der Pförtner dehnet ſich, halb ſchon träumend,</l><lb/><l>Am Dochte zupfet der Jäger ſäumend,</l><lb/><l>Und wie ein Oger gähnet der Mohr.</l><lb/></lg><lgn="5"><l>Was iſt? — wie das auseinander ſchnellt!</l><lb/><l>In Reihen ordnen die Männer ſich,</l><lb/><l>Und eine Wacht vor die Dirnen ſtellt</l><lb/><l>Die graue Zofe ſich ehrbarlich,</l><lb/><l>„Ward ich geſehn an des Vorhangs Lücke?</l><lb/><l>Doch nein, zum Balkone ſtarren die Blicke,</l><lb/><l>Nun langſam wenden die Häupter ſich.“</l><lb/></lg><lgn="6"><l>„O weh meine Augen! bin ich verrückt?</l><lb/><l>Was gleitet entlang das Treppengeländ?</l><lb/><l>Hab' ich nicht ſo aus dem Spiegel geblickt?</l><lb/><l>Das ſind meine Glieder, — welch ein Geblend'!</l><lb/><l>Nun hebt es die Hände, wie Zwirnes Flocken,</l><lb/><l>Das iſt mein Strich über Stirn und Locken! —</l><lb/><l>Weh, bin ich toll, oder nahet mein End'!“</l><lb/></lg><lgn="7"><l>Das Fräulein erbleicht und wieder erglüht,</l><lb/><l>Das Fräulein wendet die Blicke nicht,</l><lb/><l>Und leiſe rührend die Stufen zieht</l><lb/><l>Am Steingelände das Nebelgeſicht,</l><lb/><l>In ſeiner Rechten trägt es die Lampe,</l><lb/><l>Ihr Flämmchen zittert über der Rampe,</l><lb/><l>Verdämmernd, blau, wie ein Elfenlicht.</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[315/0329]
O dunkel die Nacht! und ſchaurig der Wind!
Die Fahnen wirbeln am knarrenden Thor, —
Da tritt aus der Halle das Hausgeſind'
Mit Blendlaternen und einzeln vor.
Der Pförtner dehnet ſich, halb ſchon träumend,
Am Dochte zupfet der Jäger ſäumend,
Und wie ein Oger gähnet der Mohr.
Was iſt? — wie das auseinander ſchnellt!
In Reihen ordnen die Männer ſich,
Und eine Wacht vor die Dirnen ſtellt
Die graue Zofe ſich ehrbarlich,
„Ward ich geſehn an des Vorhangs Lücke?
Doch nein, zum Balkone ſtarren die Blicke,
Nun langſam wenden die Häupter ſich.“
„O weh meine Augen! bin ich verrückt?
Was gleitet entlang das Treppengeländ?
Hab' ich nicht ſo aus dem Spiegel geblickt?
Das ſind meine Glieder, — welch ein Geblend'!
Nun hebt es die Hände, wie Zwirnes Flocken,
Das iſt mein Strich über Stirn und Locken! —
Weh, bin ich toll, oder nahet mein End'!“
Das Fräulein erbleicht und wieder erglüht,
Das Fräulein wendet die Blicke nicht,
Und leiſe rührend die Stufen zieht
Am Steingelände das Nebelgeſicht,
In ſeiner Rechten trägt es die Lampe,
Ihr Flämmchen zittert über der Rampe,
Verdämmernd, blau, wie ein Elfenlicht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/329>, abgerufen am 07.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.