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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Ein Knappe nahet, er surret leise --
Ha, welches Gesummse im weiten Kreise,
Wie hundert Schwärme an Klippenrand!

"Geschwind den Sessel, den Humpen werth,
Den schleichenden Wolf* geschwinde herbei!"
Horch, wie es draußen rasselt und fährt!
Baarhaupt stehet die Massoney,
Hundert Lanzen drängen nach binnen,
Hundert Lanzen und mitten darinnen
Der Asseburger, der blutige Weih!
Und als ihm alles entgegen zieht,
Da spricht Johannes ein Stoßgebet:
Dann risch hinein! sein Ermel sprüht,
Ein Funken über die Finger ihm geht.
Voran -- da "sieben" schwirren die Lüfte
"Sieben, sieben, sieben," die Klüfte,
"In sieben Wochen, Johann Deweth!"
Der sinkt auf schwellenden Rasen hin,
Und schüttelt gegen den Mond die Hand,
Drei Finger die bröckeln und stäuben hin,
Zu Asch' und Knöchelchen abgebrannt.
Er rafft sich auf, er rennt, er schießet,
Und ach, die Vaterklause begrüßet
Ein grauer Mann, von Keinem gekannt,
Der nimmer lächelt, nur des Gebets
Mag pflegen drüben im Klosterchor,
* Der schleichende Wolf ist das Wappen der Familie Asseburg.

Ein Knappe nahet, er ſurret leiſe —
Ha, welches Geſummſe im weiten Kreiſe,
Wie hundert Schwärme an Klippenrand!

„Geſchwind den Seſſel, den Humpen werth,
Den ſchleichenden Wolf* geſchwinde herbei!“
Horch, wie es draußen raſſelt und fährt!
Baarhaupt ſtehet die Maſſoney,
Hundert Lanzen drängen nach binnen,
Hundert Lanzen und mitten darinnen
Der Aſſeburger, der blutige Weih!
Und als ihm alles entgegen zieht,
Da ſpricht Johannes ein Stoßgebet:
Dann riſch hinein! ſein Ermel ſprüht,
Ein Funken über die Finger ihm geht.
Voran — da „ſieben“ ſchwirren die Lüfte
„Sieben, ſieben, ſieben,“ die Klüfte,
„In ſieben Wochen, Johann Deweth!“
Der ſinkt auf ſchwellenden Raſen hin,
Und ſchüttelt gegen den Mond die Hand,
Drei Finger die bröckeln und ſtäuben hin,
Zu Aſch' und Knöchelchen abgebrannt.
Er rafft ſich auf, er rennt, er ſchießet,
Und ach, die Vaterklauſe begrüßet
Ein grauer Mann, von Keinem gekannt‚
Der nimmer lächelt, nur des Gebets
Mag pflegen drüben im Kloſterchor,
* Der ſchleichende Wolf iſt das Wappen der Familie Aſſeburg.
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[283/0297] Ein Knappe nahet, er ſurret leiſe — Ha, welches Geſummſe im weiten Kreiſe, Wie hundert Schwärme an Klippenrand! „Geſchwind den Seſſel, den Humpen werth, Den ſchleichenden Wolf* geſchwinde herbei!“ Horch, wie es draußen raſſelt und fährt! Baarhaupt ſtehet die Maſſoney, Hundert Lanzen drängen nach binnen, Hundert Lanzen und mitten darinnen Der Aſſeburger, der blutige Weih! Und als ihm alles entgegen zieht, Da ſpricht Johannes ein Stoßgebet: Dann riſch hinein! ſein Ermel ſprüht, Ein Funken über die Finger ihm geht. Voran — da „ſieben“ ſchwirren die Lüfte „Sieben, ſieben, ſieben,“ die Klüfte, „In ſieben Wochen, Johann Deweth!“ Der ſinkt auf ſchwellenden Raſen hin, Und ſchüttelt gegen den Mond die Hand, Drei Finger die bröckeln und ſtäuben hin, Zu Aſch' und Knöchelchen abgebrannt. Er rafft ſich auf, er rennt, er ſchießet, Und ach, die Vaterklauſe begrüßet Ein grauer Mann, von Keinem gekannt‚ Der nimmer lächelt, nur des Gebets Mag pflegen drüben im Kloſterchor, * Der ſchleichende Wolf iſt das Wappen der Familie Aſſeburg.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/297>, abgerufen am 04.05.2024.