Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Bei Christi Blute, laßt uns nicht
Heim wie gepeitschte Hunde kehren!
Wer hat gefesselt eure Hand,
Den freien Stegreif euch verrannt?" --
Der Isenburg scheint nicht zu hören.

"Graf, flüstert es, wer war der Mann,
Dem zu dem Kreuz die Rose * paßte?
Wer machte euren Schwätzer dann
In seinem eignen Land zum Gaste?
Und, Graf, wer höhnte euer Recht,
Wer stempelt euch zum Pfaffenknecht?" --
Der Isenburg biegt an dem Aste.
"Und wer, wer hat euch zuerkannt,
Im härnen Sünderhemd zu stehen,
Die Schandekerz' in eurer Hand,
Und alte Vetteln anzuflehen
Um Kyrie und Litaney!?" --
Da krachend bricht der Ast entzwei
Und wirbelt in des Sturmes Weben.
Spricht Isenburg: "mein guter Fant,
Und meinst du denn ich sey begraben?
O laß mich nur in meiner Hand --
Doch ruhig, still, ich höre traben!"
Sie stehen lauschend, vorgebeugt;
Durch das Gezweig der Helmbusch steigt
Und flattert drüber gleich dem Raben.
* Zu (dem Kreuz) Cöln die Rose (das Wappen von)Berg, dessen Besitz
Engelbert dem Bruder von Isenburgs Gemalin vorenthielt.

Bei Chriſti Blute, laßt uns nicht
Heim wie gepeitſchte Hunde kehren!
Wer hat gefeſſelt eure Hand,
Den freien Stegreif euch verrannt?“ —
Der Iſenburg ſcheint nicht zu hören.

„Graf, flüſtert es, wer war der Mann,
Dem zu dem Kreuz die Roſe * paßte?
Wer machte euren Schwätzer dann
In ſeinem eignen Land zum Gaſte?
Und, Graf, wer höhnte euer Recht,
Wer ſtempelt euch zum Pfaffenknecht?“ —
Der Iſenburg biegt an dem Aſte.
„Und wer, wer hat euch zuerkannt,
Im härnen Sünderhemd zu ſtehen,
Die Schandekerz' in eurer Hand,
Und alte Vetteln anzuflehen
Um Kyrie und Litaney!?“ —
Da krachend bricht der Aſt entzwei
Und wirbelt in des Sturmes Weben.
Spricht Iſenburg: „mein guter Fant,
Und meinſt du denn ich ſey begraben?
O laß mich nur in meiner Hand —
Doch ruhig, ſtill, ich höre traben!“
Sie ſtehen lauſchend, vorgebeugt;
Durch das Gezweig der Helmbuſch ſteigt
Und flattert drüber gleich dem Raben.
* Zu (dem Kreuz) Cöln die Roſe (das Wappen von)Berg, deſſen Beſitz
Engelbert dem Bruder von Iſenburgs Gemalin vorenthielt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="4">
                <pb facs="#f0289" n="275"/>
                <l>Bei Chri&#x017F;ti Blute, laßt uns nicht</l><lb/>
                <l>Heim wie gepeit&#x017F;chte Hunde kehren!</l><lb/>
                <l>Wer hat gefe&#x017F;&#x017F;elt eure Hand,</l><lb/>
                <l>Den freien Stegreif euch verrannt?&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
                <l>Der I&#x017F;enburg &#x017F;cheint nicht zu hören.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="5">
                <l>&#x201E;Graf, flü&#x017F;tert es, wer war der Mann,</l><lb/>
                <l>Dem zu dem Kreuz die Ro&#x017F;e <note place="foot" n="*">Zu (dem Kreuz) Cöln die Ro&#x017F;e (das Wappen von)Berg, de&#x017F;&#x017F;en Be&#x017F;itz<lb/>
Engelbert dem Bruder von I&#x017F;enburgs Gemalin vorenthielt.<lb/></note> paßte?</l><lb/>
                <l>Wer machte euren Schwätzer dann</l><lb/>
                <l>In &#x017F;einem eignen Land zum Ga&#x017F;te?</l><lb/>
                <l>Und, Graf, wer höhnte euer Recht,</l><lb/>
                <l>Wer &#x017F;tempelt euch zum Pfaffenknecht?&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
                <l>Der I&#x017F;enburg biegt an dem A&#x017F;te.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="6">
                <l>&#x201E;Und wer, wer hat euch zuerkannt,</l><lb/>
                <l>Im härnen Sünderhemd zu &#x017F;tehen,</l><lb/>
                <l>Die Schandekerz' in eurer Hand,</l><lb/>
                <l>Und alte Vetteln anzuflehen</l><lb/>
                <l>Um Kyrie und Litaney!?&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
                <l>Da krachend bricht der A&#x017F;t entzwei</l><lb/>
                <l>Und wirbelt in des Sturmes Weben.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="7">
                <l>Spricht I&#x017F;enburg: &#x201E;mein guter Fant,</l><lb/>
                <l>Und mein&#x017F;t du denn ich &#x017F;ey begraben?</l><lb/>
                <l>O laß mich nur in meiner Hand &#x2014;</l><lb/>
                <l>Doch ruhig, &#x017F;till, ich höre traben!&#x201C;</l><lb/>
                <l>Sie &#x017F;tehen lau&#x017F;chend, vorgebeugt;</l><lb/>
                <l>Durch das Gezweig der Helmbu&#x017F;ch &#x017F;teigt</l><lb/>
                <l>Und flattert drüber gleich dem Raben.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0289] Bei Chriſti Blute, laßt uns nicht Heim wie gepeitſchte Hunde kehren! Wer hat gefeſſelt eure Hand, Den freien Stegreif euch verrannt?“ — Der Iſenburg ſcheint nicht zu hören. „Graf, flüſtert es, wer war der Mann, Dem zu dem Kreuz die Roſe * paßte? Wer machte euren Schwätzer dann In ſeinem eignen Land zum Gaſte? Und, Graf, wer höhnte euer Recht, Wer ſtempelt euch zum Pfaffenknecht?“ — Der Iſenburg biegt an dem Aſte. „Und wer, wer hat euch zuerkannt, Im härnen Sünderhemd zu ſtehen, Die Schandekerz' in eurer Hand, Und alte Vetteln anzuflehen Um Kyrie und Litaney!?“ — Da krachend bricht der Aſt entzwei Und wirbelt in des Sturmes Weben. Spricht Iſenburg: „mein guter Fant, Und meinſt du denn ich ſey begraben? O laß mich nur in meiner Hand — Doch ruhig, ſtill, ich höre traben!“ Sie ſtehen lauſchend, vorgebeugt; Durch das Gezweig der Helmbuſch ſteigt Und flattert drüber gleich dem Raben. * Zu (dem Kreuz) Cöln die Roſe (das Wappen von)Berg, deſſen Beſitz Engelbert dem Bruder von Iſenburgs Gemalin vorenthielt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/289
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/289>, abgerufen am 25.11.2024.