Sie öffnet heimlich ihren Schrein, Langt aus verborgner Fächer Grube, Dann, leise wie der Mondenschein, Schlüpft sie in ihres Mannes Stube.
Der saß, die schwere Stirn gestützt, Und rauchte fort am kalten Rohre: "Carl!" drang ein scheues Flüstern itzt, Und wieder "Carl!" zu seinem Ohre; Sie stand vor ihm, wie Blut so roth, Als gält' es eine Schuld gestehen. "Carl" sprach sie, "wenn uns Unheil droht, Ist's denn unmöglich, ihm entgehen?"
Drauf reicht sie aus der Schürze dar Ein Säckchen, stramm und schwer zu tragen, Drinn Alles was sie achtzehn Jahr Erspart am eigenen Behagen. Er sah sie an mit raschem Blick, Und zählte, zählte nun auf's Neue, Dann sprach er seufzend: "mein Geschick Ist zu verwirrt, -- dies langt wie Spreue!"
Sie bot ein Blatt, und wandt' sich um, Erzitternd, glüh gleich der Granate; Es war ihr kleines Eigenthum, Das Erbtheil einer frommen Pathe. "Nein" sprach der Mann, "das soll nicht seyn!" Und klopfte freundlich ihre Wangen. Dann warf er einen Blick hinein Und sagte dumpf: "schier möcht' es langen."
Sie öffnet heimlich ihren Schrein, Langt aus verborgner Fächer Grube, Dann, leiſe wie der Mondenſchein, Schlüpft ſie in ihres Mannes Stube.
Der ſaß, die ſchwere Stirn geſtützt, Und rauchte fort am kalten Rohre: „Carl!“ drang ein ſcheues Flüſtern itzt, Und wieder „Carl!“ zu ſeinem Ohre; Sie ſtand vor ihm, wie Blut ſo roth, Als gält' es eine Schuld geſtehen. „Carl“ ſprach ſie, „wenn uns Unheil droht, Iſt's denn unmöglich, ihm entgehen?“
Drauf reicht ſie aus der Schürze dar Ein Säckchen, ſtramm und ſchwer zu tragen, Drinn Alles was ſie achtzehn Jahr Erſpart am eigenen Behagen. Er ſah ſie an mit raſchem Blick, Und zählte, zählte nun auf's Neue, Dann ſprach er ſeufzend: „mein Geſchick Iſt zu verwirrt, — dies langt wie Spreue!“
Sie bot ein Blatt, und wandt' ſich um, Erzitternd, glüh gleich der Granate; Es war ihr kleines Eigenthum, Das Erbtheil einer frommen Pathe. „Nein“ ſprach der Mann, „das ſoll nicht ſeyn!“ Und klopfte freundlich ihre Wangen. Dann warf er einen Blick hinein Und ſagte dumpf: „ſchier möcht' es langen.“
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Sie öffnet heimlich ihren Schrein,
Langt aus verborgner Fächer Grube,
Dann, leiſe wie der Mondenſchein,
Schlüpft ſie in ihres Mannes Stube.
Der ſaß, die ſchwere Stirn geſtützt,
Und rauchte fort am kalten Rohre:
„Carl!“ drang ein ſcheues Flüſtern itzt,
Und wieder „Carl!“ zu ſeinem Ohre;
Sie ſtand vor ihm, wie Blut ſo roth,
Als gält' es eine Schuld geſtehen.
„Carl“ ſprach ſie, „wenn uns Unheil droht,
Iſt's denn unmöglich, ihm entgehen?“
Drauf reicht ſie aus der Schürze dar
Ein Säckchen, ſtramm und ſchwer zu tragen,
Drinn Alles was ſie achtzehn Jahr
Erſpart am eigenen Behagen.
Er ſah ſie an mit raſchem Blick,
Und zählte, zählte nun auf's Neue,
Dann ſprach er ſeufzend: „mein Geſchick
Iſt zu verwirrt, — dies langt wie Spreue!“
Sie bot ein Blatt, und wandt' ſich um,
Erzitternd, glüh gleich der Granate;
Es war ihr kleines Eigenthum,
Das Erbtheil einer frommen Pathe.
„Nein“ ſprach der Mann, „das ſoll nicht ſeyn!“
Und klopfte freundlich ihre Wangen.
Dann warf er einen Blick hinein
Und ſagte dumpf: „ſchier möcht' es langen.“
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/240>, abgerufen am 21.07.2024.
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