Ein Krämer hatte eine Frau, Die war ihm schier zu sanft und milde, Ihr Haar zu licht, ihr Aug' zu blau, Zu gleich ihr Blick dem Mondenschilde; Wenn er sie sah so still und sacht Im Hause gleiten wie ein Schemen, Dann faßt es ihn wie böse Macht, Er mußte sich zusammen nehmen.
Vor Allem macht ihm Ueberdruß Ein Wort, das sie an Alles knüpfte, Das freilich in der Rede Fluß Gedankenlos dem Mund entschlüpfte: "In Gottes Namen", sprach sie dann, Wenn schwere Prüfungsstunden kamen, Und wenn zu Weine ging ihr Mann, Dann sprach sie auch: "in Gottes Namen."
Das schien ihm lächerlich und dumm, Mitunter frevelhaft vermessen; Oft schalt er und sie weinte drum, Und hat es immer doch vergessen. Gewöhnung war es früher Zeit Und klösterlich verlebter Jugend; So war es keine Sündlichkeit Und war auch eben keine Tugend.
Die beſchränkte Frau.
Ein Krämer hatte eine Frau, Die war ihm ſchier zu ſanft und milde, Ihr Haar zu licht, ihr Aug' zu blau, Zu gleich ihr Blick dem Mondenſchilde; Wenn er ſie ſah ſo ſtill und ſacht Im Hauſe gleiten wie ein Schemen, Dann faßt es ihn wie böſe Macht, Er mußte ſich zuſammen nehmen.
Vor Allem macht ihm Ueberdruß Ein Wort, das ſie an Alles knüpfte, Das freilich in der Rede Fluß Gedankenlos dem Mund entſchlüpfte: „In Gottes Namen“, ſprach ſie dann, Wenn ſchwere Prüfungsſtunden kamen, Und wenn zu Weine ging ihr Mann, Dann ſprach ſie auch: „in Gottes Namen.“
Das ſchien ihm lächerlich und dumm, Mitunter frevelhaft vermeſſen; Oft ſchalt er und ſie weinte drum, Und hat es immer doch vergeſſen. Gewöhnung war es früher Zeit Und klöſterlich verlebter Jugend; So war es keine Sündlichkeit Und war auch eben keine Tugend.
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Die beſchränkte Frau.
Ein Krämer hatte eine Frau,
Die war ihm ſchier zu ſanft und milde,
Ihr Haar zu licht, ihr Aug' zu blau,
Zu gleich ihr Blick dem Mondenſchilde;
Wenn er ſie ſah ſo ſtill und ſacht
Im Hauſe gleiten wie ein Schemen,
Dann faßt es ihn wie böſe Macht,
Er mußte ſich zuſammen nehmen.
Vor Allem macht ihm Ueberdruß
Ein Wort, das ſie an Alles knüpfte,
Das freilich in der Rede Fluß
Gedankenlos dem Mund entſchlüpfte:
„In Gottes Namen“, ſprach ſie dann,
Wenn ſchwere Prüfungsſtunden kamen,
Und wenn zu Weine ging ihr Mann,
Dann ſprach ſie auch: „in Gottes Namen.“
Das ſchien ihm lächerlich und dumm,
Mitunter frevelhaft vermeſſen;
Oft ſchalt er und ſie weinte drum,
Und hat es immer doch vergeſſen.
Gewöhnung war es früher Zeit
Und klöſterlich verlebter Jugend;
So war es keine Sündlichkeit
Und war auch eben keine Tugend.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/238>, abgerufen am 24.11.2024.
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