Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Sit illi terra levis! So sonder Arg hast du in diesem Leben Mich deinen allerbesten Freund genannt, Hast mir so oft gereicht die hagre Hand, -- Hab' ich gelächelt, mag mir Gott vergeben. Die Schlange wacht in jedes Menschen Brust, Was ich dir bot, es war doch treue Gabe, Und hier bekenn' ich es, an deinem Grabe, Du warst mir lieber als ich es gewußt. Ob ich auch nie zu jenen mich gesellte, Die lachend deine Einfalt angeschaut; Des Hauptes, das in Ehren war ergraut, Verhöhnung immer mir die Adern schwellte; Doch erst wo aller Menschen Witz versiegt, Ein armer Tropfen in Egyptens Sande, Hier erst erkenn' ich, an der Seelen Brande, Wie schwer des Auges warme Thräne wiegt. Sah ich sie nicht an deine Wimper steigen,
Wenn du dem fremden Leide dich geeint? Hast du nicht meinen Todten nachgeweint, So heiß wie deines eignen Blutes Zweigen? O! wenn ich in der Freude deß vergaß, Mit bitterm Herzen muß ich es beklagen, Denn von des Schicksals harter Hand geschlagen, Wie gern ich dann in deinem Auge las! Sit illi terra levis! So ſonder Arg haſt du in dieſem Leben Mich deinen allerbeſten Freund genannt, Haſt mir ſo oft gereicht die hagre Hand, — Hab' ich gelächelt, mag mir Gott vergeben. Die Schlange wacht in jedes Menſchen Bruſt, Was ich dir bot, es war doch treue Gabe, Und hier bekenn' ich es, an deinem Grabe, Du warſt mir lieber als ich es gewußt. Ob ich auch nie zu jenen mich geſellte, Die lachend deine Einfalt angeſchaut; Des Hauptes, das in Ehren war ergraut, Verhöhnung immer mir die Adern ſchwellte; Doch erſt wo aller Menſchen Witz verſiegt, Ein armer Tropfen in Egyptens Sande, Hier erſt erkenn' ich, an der Seelen Brande, Wie ſchwer des Auges warme Thräne wiegt. Sah ich ſie nicht an deine Wimper ſteigen,
Wenn du dem fremden Leide dich geeint? Haſt du nicht meinen Todten nachgeweint, So heiß wie deines eignen Blutes Zweigen? O! wenn ich in der Freude deß vergaß, Mit bitterm Herzen muß ich es beklagen, Denn von des Schickſals harter Hand geſchlagen, Wie gern ich dann in deinem Auge las! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0209" n="195"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq #b">Sit illi terra levis!</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>So ſonder Arg haſt du in dieſem Leben</l><lb/> <l>Mich deinen allerbeſten Freund genannt,</l><lb/> <l>Haſt mir ſo oft gereicht die hagre Hand, —</l><lb/> <l>Hab' ich gelächelt, mag mir Gott vergeben.</l><lb/> <l>Die Schlange wacht in jedes Menſchen Bruſt,</l><lb/> <l>Was ich dir bot, es war doch treue Gabe,</l><lb/> <l>Und hier bekenn' ich es, an deinem Grabe,</l><lb/> <l>Du warſt mir lieber als ich es gewußt.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ob ich auch nie zu jenen mich geſellte,</l><lb/> <l>Die lachend deine Einfalt angeſchaut;</l><lb/> <l>Des Hauptes, das in Ehren war ergraut,</l><lb/> <l>Verhöhnung immer mir die Adern ſchwellte;</l><lb/> <l>Doch erſt wo aller Menſchen Witz verſiegt,</l><lb/> <l>Ein armer Tropfen in Egyptens Sande,</l><lb/> <l>Hier erſt erkenn' ich, an der Seelen Brande,</l><lb/> <l>Wie ſchwer des Auges warme Thräne wiegt.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Sah ich ſie nicht an deine Wimper ſteigen,</l><lb/> <l>Wenn du dem fremden Leide dich geeint?</l><lb/> <l>Haſt du nicht meinen Todten nachgeweint,</l><lb/> <l>So heiß wie deines eignen Blutes Zweigen?</l><lb/> <l>O! wenn ich in der Freude deß vergaß,</l><lb/> <l>Mit bitterm Herzen muß ich es beklagen,</l><lb/> <l>Denn von des Schickſals harter Hand geſchlagen,</l><lb/> <l>Wie gern ich dann in deinem Auge las!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [195/0209]
Sit illi terra levis!
So ſonder Arg haſt du in dieſem Leben
Mich deinen allerbeſten Freund genannt,
Haſt mir ſo oft gereicht die hagre Hand, —
Hab' ich gelächelt, mag mir Gott vergeben.
Die Schlange wacht in jedes Menſchen Bruſt,
Was ich dir bot, es war doch treue Gabe,
Und hier bekenn' ich es, an deinem Grabe,
Du warſt mir lieber als ich es gewußt.
Ob ich auch nie zu jenen mich geſellte,
Die lachend deine Einfalt angeſchaut;
Des Hauptes, das in Ehren war ergraut,
Verhöhnung immer mir die Adern ſchwellte;
Doch erſt wo aller Menſchen Witz verſiegt,
Ein armer Tropfen in Egyptens Sande,
Hier erſt erkenn' ich, an der Seelen Brande,
Wie ſchwer des Auges warme Thräne wiegt.
Sah ich ſie nicht an deine Wimper ſteigen,
Wenn du dem fremden Leide dich geeint?
Haſt du nicht meinen Todten nachgeweint,
So heiß wie deines eignen Blutes Zweigen?
O! wenn ich in der Freude deß vergaß,
Mit bitterm Herzen muß ich es beklagen,
Denn von des Schickſals harter Hand geſchlagen,
Wie gern ich dann in deinem Auge las!
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