Wie hab' ich doch so manche Sommernacht, Du düstrer Saal, in deinem Raum verwacht! Und du, Balkon, auf dich bin ich getreten, Um leise für ein theures Haupt zu beten, Wenn hinter mir aus des Gemaches Tiefen Wie Hülfewimmern bange Seufzer riefen, Die Odemzüge aus geliebtem Mund; Ja, bitter weint' ich -- o Erinnerung! -- Doch trug ich muthig es, denn ich war jung, War jung noch und gesund.
Du Bett mit seidnem Franzenhang geziert, Wie hab' ich deine Falten oft berührt, Mit leiser leiser Hand gehemmt ihr Rauschen, Wenn ich mich beugte durch den Spalt zu lauschen, Mein Haupt so müde daß es schwamm wie trunken, So matt mein Knie daß es zum Grund gesunken! Mechanisch löste ich der Zöpfe Bund Und sucht im frischen Trunk Erleichterung; Ach, Alles trägt man leicht, ist man nur jung, Nur jung noch und gesund!
Und als die Rose, die am Stock erblich, Sich wieder auf die kranke Wange schlich, Wie hab' ich an dem Pfeilertische drüben Dem Töchterchen geringelt seine lieben
Nach fünfzehn Jahren.
Wie hab' ich doch ſo manche Sommernacht, Du düſtrer Saal, in deinem Raum verwacht! Und du, Balkon, auf dich bin ich getreten, Um leiſe für ein theures Haupt zu beten, Wenn hinter mir aus des Gemaches Tiefen Wie Hülfewimmern bange Seufzer riefen, Die Odemzüge aus geliebtem Mund; Ja, bitter weint' ich — o Erinnerung! — Doch trug ich muthig es, denn ich war jung, War jung noch und geſund.
Du Bett mit ſeidnem Franzenhang geziert, Wie hab' ich deine Falten oft berührt, Mit leiſer leiſer Hand gehemmt ihr Rauſchen, Wenn ich mich beugte durch den Spalt zu lauſchen, Mein Haupt ſo müde daß es ſchwamm wie trunken, So matt mein Knie daß es zum Grund geſunken! Mechaniſch löſte ich der Zöpfe Bund Und ſucht im friſchen Trunk Erleichterung; Ach, Alles trägt man leicht, iſt man nur jung, Nur jung noch und geſund!
Und als die Roſe, die am Stock erblich, Sich wieder auf die kranke Wange ſchlich, Wie hab' ich an dem Pfeilertiſche drüben Dem Töchterchen geringelt ſeine lieben
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0205"n="191"/></div><divn="2"><head><hirendition="#b">Nach fünfzehn Jahren.</hi><lb/></head><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Wie hab' ich doch ſo manche Sommernacht,</l><lb/><l>Du düſtrer Saal, in deinem Raum verwacht!</l><lb/><l>Und du, Balkon, auf dich bin ich getreten,</l><lb/><l>Um leiſe für ein theures Haupt zu beten,</l><lb/><l>Wenn hinter mir aus des Gemaches Tiefen</l><lb/><l>Wie Hülfewimmern bange Seufzer riefen,</l><lb/><l>Die Odemzüge aus geliebtem Mund;</l><lb/><l>Ja, bitter weint' ich — o Erinnerung! —</l><lb/><l>Doch trug ich muthig es, denn ich war jung,</l><lb/><l>War jung noch und geſund.</l><lb/></lg><lgn="2"><l>Du Bett mit ſeidnem Franzenhang geziert,</l><lb/><l>Wie hab' ich deine Falten oft berührt,</l><lb/><l>Mit leiſer leiſer Hand gehemmt ihr Rauſchen,</l><lb/><l>Wenn ich mich beugte durch den Spalt zu lauſchen,</l><lb/><l>Mein Haupt ſo müde daß es ſchwamm wie trunken,</l><lb/><l>So matt mein Knie daß es zum Grund geſunken!</l><lb/><l>Mechaniſch löſte ich der Zöpfe Bund</l><lb/><l>Und ſucht im friſchen Trunk Erleichterung;</l><lb/><l>Ach, Alles trägt man leicht, iſt man nur jung,</l><lb/><l>Nur jung noch und geſund!</l><lb/></lg><lgn="3"><l>Und als die Roſe, die am Stock erblich,</l><lb/><l>Sich wieder auf die kranke Wange ſchlich,</l><lb/><l>Wie hab' ich an dem Pfeilertiſche drüben</l><lb/><l>Dem Töchterchen geringelt ſeine lieben</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[191/0205]
Nach fünfzehn Jahren.
Wie hab' ich doch ſo manche Sommernacht,
Du düſtrer Saal, in deinem Raum verwacht!
Und du, Balkon, auf dich bin ich getreten,
Um leiſe für ein theures Haupt zu beten,
Wenn hinter mir aus des Gemaches Tiefen
Wie Hülfewimmern bange Seufzer riefen,
Die Odemzüge aus geliebtem Mund;
Ja, bitter weint' ich — o Erinnerung! —
Doch trug ich muthig es, denn ich war jung,
War jung noch und geſund.
Du Bett mit ſeidnem Franzenhang geziert,
Wie hab' ich deine Falten oft berührt,
Mit leiſer leiſer Hand gehemmt ihr Rauſchen,
Wenn ich mich beugte durch den Spalt zu lauſchen,
Mein Haupt ſo müde daß es ſchwamm wie trunken,
So matt mein Knie daß es zum Grund geſunken!
Mechaniſch löſte ich der Zöpfe Bund
Und ſucht im friſchen Trunk Erleichterung;
Ach, Alles trägt man leicht, iſt man nur jung,
Nur jung noch und geſund!
Und als die Roſe, die am Stock erblich,
Sich wieder auf die kranke Wange ſchlich,
Wie hab' ich an dem Pfeilertiſche drüben
Dem Töchterchen geringelt ſeine lieben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/205>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.