Der Odem den dein Leben sog, Der letzte noch, ein Liebeszeichen, -- Das, Henriette, stellt dich hoch Ob Andre, die an Geist dir gleichen!
Du warst die Seltne, die gehorcht Des Ruhmes lockender Sirene, Und keine Tünche je geborgt, Und keine süßen Taumeltöne; Die jede Perl' aus ihrem Hort Vor Gottes Auge erst getragen, Um ernstes wie um heitres Wort, Um keines durft' im Tode zagen.
Am Sarge fällt die Blüthe ab, Zerrinnt der Glorie Zauberschemen, Dein Lorbeerreis, es bleibt am Grab, Du kannst es nicht hinüber nehmen; Doch vor dem Richter kannst du knien, Die reinen Hände hoch gefaltet: "Sieh, Herr, die Pfunde, mir verliehn, Ich habe redlich sie verwaltet."
Nicht möcht ich einen kalten Stein Ob deinem warmen Herzen sehen, Auch keiner glühen Rosen Schein, Die üppig unter Dornen wehen; Des Sinnlaubs immergrünen Stern Möcht ich um deinen Hügel ranken, Und über'm Grüne säh ich gern Die segensreiche Aehre schwanken.
Der Odem den dein Leben ſog, Der letzte noch, ein Liebeszeichen, — Das, Henriette, ſtellt dich hoch Ob Andre, die an Geiſt dir gleichen!
Du warſt die Seltne, die gehorcht Des Ruhmes lockender Sirene, Und keine Tünche je geborgt, Und keine ſüßen Taumeltöne; Die jede Perl' aus ihrem Hort Vor Gottes Auge erſt getragen, Um ernſtes wie um heitres Wort, Um keines durft' im Tode zagen.
Am Sarge fällt die Blüthe ab, Zerrinnt der Glorie Zauberſchemen, Dein Lorbeerreis, es bleibt am Grab, Du kannſt es nicht hinüber nehmen; Doch vor dem Richter kannſt du knien, Die reinen Hände hoch gefaltet: „Sieh, Herr, die Pfunde, mir verliehn, Ich habe redlich ſie verwaltet.“
Nicht möcht ich einen kalten Stein Ob deinem warmen Herzen ſehen, Auch keiner glühen Roſen Schein, Die üppig unter Dornen wehen; Des Sinnlaubs immergrünen Stern Möcht ich um deinen Hügel ranken, Und über'm Grüne ſäh ich gern Die ſegensreiche Aehre ſchwanken.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="3"><pbfacs="#f0157"n="143"/><l>Der Odem den dein Leben ſog,</l><lb/><l>Der letzte noch, ein Liebeszeichen, —</l><lb/><l>Das, Henriette, ſtellt dich hoch</l><lb/><l>Ob Andre, die an Geiſt dir gleichen!</l><lb/></lg><lgn="4"><l>Du warſt die Seltne, die gehorcht</l><lb/><l>Des Ruhmes lockender Sirene,</l><lb/><l>Und keine Tünche je geborgt,</l><lb/><l>Und keine ſüßen Taumeltöne;</l><lb/><l>Die jede Perl' aus ihrem Hort</l><lb/><l>Vor Gottes Auge erſt getragen,</l><lb/><l>Um ernſtes wie um heitres Wort,</l><lb/><l>Um keines durft' im Tode zagen.</l><lb/></lg><lgn="5"><l>Am Sarge fällt die Blüthe ab,</l><lb/><l>Zerrinnt der Glorie Zauberſchemen,</l><lb/><l>Dein Lorbeerreis, es bleibt am Grab,</l><lb/><l>Du kannſt es nicht hinüber nehmen;</l><lb/><l>Doch vor dem Richter kannſt du knien,</l><lb/><l>Die reinen Hände hoch gefaltet:</l><lb/><l>„Sieh, Herr, die Pfunde, mir verliehn,</l><lb/><l>Ich habe redlich ſie verwaltet.“</l><lb/></lg><lgn="6"><l>Nicht möcht ich einen kalten Stein</l><lb/><l>Ob deinem warmen Herzen ſehen,</l><lb/><l>Auch keiner glühen Roſen Schein,</l><lb/><l>Die üppig unter Dornen wehen;</l><lb/><l>Des Sinnlaubs immergrünen Stern</l><lb/><l>Möcht ich um deinen Hügel ranken,</l><lb/><l>Und über'm Grüne ſäh ich gern</l><lb/><l>Die ſegensreiche Aehre ſchwanken.</l><lb/></lg></lg><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[143/0157]
Der Odem den dein Leben ſog,
Der letzte noch, ein Liebeszeichen, —
Das, Henriette, ſtellt dich hoch
Ob Andre, die an Geiſt dir gleichen!
Du warſt die Seltne, die gehorcht
Des Ruhmes lockender Sirene,
Und keine Tünche je geborgt,
Und keine ſüßen Taumeltöne;
Die jede Perl' aus ihrem Hort
Vor Gottes Auge erſt getragen,
Um ernſtes wie um heitres Wort,
Um keines durft' im Tode zagen.
Am Sarge fällt die Blüthe ab,
Zerrinnt der Glorie Zauberſchemen,
Dein Lorbeerreis, es bleibt am Grab,
Du kannſt es nicht hinüber nehmen;
Doch vor dem Richter kannſt du knien,
Die reinen Hände hoch gefaltet:
„Sieh, Herr, die Pfunde, mir verliehn,
Ich habe redlich ſie verwaltet.“
Nicht möcht ich einen kalten Stein
Ob deinem warmen Herzen ſehen,
Auch keiner glühen Roſen Schein,
Die üppig unter Dornen wehen;
Des Sinnlaubs immergrünen Stern
Möcht ich um deinen Hügel ranken,
Und über'm Grüne ſäh ich gern
Die ſegensreiche Aehre ſchwanken.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/157>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.