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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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"Und wo im Schlafe zitternd noch
Vom Opiat die Pulse klopfen,
Das Auge dürr, und gäbe doch
Sein Sonnenlicht um einen Tropfen, --
O, rüttle sanft! "Verarmter, senk'
Die Blicke in des Aethers Schöne,
Kos' einem blonden Kind und denk'
An der Begeistrung erste Thräne."
So rief die Zeit, so ward mein Amt
Von Gottes Gnaden mir gegeben,
So mein Beruf mir angestammt,
Im frischen Muth, im warmen Leben;
Ich frage nicht ob ihr mich nennt,
Nicht fröhnen mag ich kurzem Ruhme,
Doch wißt: wo die Sahara brennt,
Im Wüstensand, steht eine Blume,
Farblos und Duftes baar, nichts weiß
Sie als den frommen Thau zu hüten,
Und dem Verschmachtenden ihn leis
In ihrem Kelche anzubieten.
Vorüber schlüpft die Schlange scheu
Und Pfeile ihre Blicke regnen,
Vorüber rauscht der stolze Leu,
Allein der Pilger wird sie segnen.

„Und wo im Schlafe zitternd noch
Vom Opiat die Pulſe klopfen,
Das Auge dürr, und gäbe doch
Sein Sonnenlicht um einen Tropfen, —
O, rüttle ſanft! „Verarmter, ſenk'
Die Blicke in des Aethers Schöne,
Koſ' einem blonden Kind und denk'
An der Begeiſtrung erſte Thräne.“
So rief die Zeit, ſo ward mein Amt
Von Gottes Gnaden mir gegeben,
So mein Beruf mir angeſtammt,
Im friſchen Muth, im warmen Leben;
Ich frage nicht ob ihr mich nennt,
Nicht fröhnen mag ich kurzem Ruhme,
Doch wißt: wo die Sahara brennt,
Im Wüſtenſand, ſteht eine Blume,
Farblos und Duftes baar, nichts weiß
Sie als den frommen Thau zu hüten,
Und dem Verſchmachtenden ihn leis
In ihrem Kelche anzubieten.
Vorüber ſchlüpft die Schlange ſcheu
Und Pfeile ihre Blicke regnen,
Vorüber rauſcht der ſtolze Leu,
Allein der Pilger wird ſie ſegnen.

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[117/0131] „Und wo im Schlafe zitternd noch Vom Opiat die Pulſe klopfen, Das Auge dürr, und gäbe doch Sein Sonnenlicht um einen Tropfen, — O, rüttle ſanft! „Verarmter, ſenk' Die Blicke in des Aethers Schöne, Koſ' einem blonden Kind und denk' An der Begeiſtrung erſte Thräne.“ So rief die Zeit, ſo ward mein Amt Von Gottes Gnaden mir gegeben, So mein Beruf mir angeſtammt, Im friſchen Muth, im warmen Leben; Ich frage nicht ob ihr mich nennt, Nicht fröhnen mag ich kurzem Ruhme, Doch wißt: wo die Sahara brennt, Im Wüſtenſand, ſteht eine Blume, Farblos und Duftes baar, nichts weiß Sie als den frommen Thau zu hüten, Und dem Verſchmachtenden ihn leis In ihrem Kelche anzubieten. Vorüber ſchlüpft die Schlange ſcheu Und Pfeile ihre Blicke regnen, Vorüber rauſcht der ſtolze Leu, Allein der Pilger wird ſie ſegnen.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/131>, abgerufen am 25.11.2024.