cher sie dann Hülfe bei der Arbeit leisten solle. Nach einigen Unterhandlungen zeigte sich die Wäscherin auch dazu erbötig und Mathilde zog noch am selbigen Tage mit ihren Habseligkeiten in die Wohnung derselben.
Ihre neue Wirthin war freundlich und zuvorkommend gegen sie. Es war eine kleine, ältliche Frau von eben nicht einnehmenden Zügen, aber Mathilde fühlte den mißtrauischen Widerwillen, den ihr die Alte beim ersten Anblick einflößte, bald wieder vor ihrem gutmüthigen Ge¬ schwätz und ihrer hilfreichen Aufmerksamkeit für das Kind verschwinden. Die Alte schaffte und sorgte für sie auf die beste Weise. Nur über die Arbeit und den Verdienst klagte sie beständig, und allerdings bemerkte Mathilde, daß die Alte eben keine Beschäftigung hatte. Da suchte sie der Alten Trost und Muth, zuzusprechen, sie, deren eigne Lage doch selbst der Hülfe so bedürftig war, -- allein für was hat ein glückliches Mutterherz keinen Trost? Da sie jung, geschickt und arbeitsam war, so erbot sie sich, um sich der Wirthin ebenfalls hülfreich zu zeigen, für fremde Leute Näh- oder Stickarbeit zu ma¬
Die Suͤnderin.
cher ſie dann Huͤlfe bei der Arbeit leiſten ſolle. Nach einigen Unterhandlungen zeigte ſich die Waͤſcherin auch dazu erboͤtig und Mathilde zog noch am ſelbigen Tage mit ihren Habſeligkeiten in die Wohnung derſelben.
Ihre neue Wirthin war freundlich und zuvorkommend gegen ſie. Es war eine kleine, aͤltliche Frau von eben nicht einnehmenden Zuͤgen, aber Mathilde fuͤhlte den mißtrauiſchen Widerwillen, den ihr die Alte beim erſten Anblick einfloͤßte, bald wieder vor ihrem gutmuͤthigen Ge¬ ſchwaͤtz und ihrer hilfreichen Aufmerkſamkeit fuͤr das Kind verſchwinden. Die Alte ſchaffte und ſorgte fuͤr ſie auf die beſte Weiſe. Nur uͤber die Arbeit und den Verdienſt klagte ſie beſtaͤndig, und allerdings bemerkte Mathilde, daß die Alte eben keine Beſchaͤftigung hatte. Da ſuchte ſie der Alten Troſt und Muth, zuzuſprechen, ſie, deren eigne Lage doch ſelbſt der Huͤlfe ſo beduͤrftig war, — allein fuͤr was hat ein gluͤckliches Mutterherz keinen Troſt? Da ſie jung, geſchickt und arbeitſam war, ſo erbot ſie ſich, um ſich der Wirthin ebenfalls huͤlfreich zu zeigen, fuͤr fremde Leute Naͤh- oder Stickarbeit zu ma¬
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Die Suͤnderin.
cher ſie dann Huͤlfe bei der Arbeit leiſten ſolle. Nach
einigen Unterhandlungen zeigte ſich die Waͤſcherin auch
dazu erboͤtig und Mathilde zog noch am ſelbigen Tage
mit ihren Habſeligkeiten in die Wohnung derſelben.
Ihre neue Wirthin war freundlich und zuvorkommend
gegen ſie. Es war eine kleine, aͤltliche Frau von eben
nicht einnehmenden Zuͤgen, aber Mathilde fuͤhlte den
mißtrauiſchen Widerwillen, den ihr die Alte beim erſten
Anblick einfloͤßte, bald wieder vor ihrem gutmuͤthigen Ge¬
ſchwaͤtz und ihrer hilfreichen Aufmerkſamkeit fuͤr das Kind
verſchwinden. Die Alte ſchaffte und ſorgte fuͤr ſie auf
die beſte Weiſe. Nur uͤber die Arbeit und den Verdienſt
klagte ſie beſtaͤndig, und allerdings bemerkte Mathilde,
daß die Alte eben keine Beſchaͤftigung hatte. Da ſuchte
ſie der Alten Troſt und Muth, zuzuſprechen, ſie, deren
eigne Lage doch ſelbſt der Huͤlfe ſo beduͤrftig war, —
allein fuͤr was hat ein gluͤckliches Mutterherz keinen
Troſt? Da ſie jung, geſchickt und arbeitſam war, ſo
erbot ſie ſich, um ſich der Wirthin ebenfalls huͤlfreich zu
zeigen, fuͤr fremde Leute Naͤh- oder Stickarbeit zu ma¬
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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/92>, abgerufen am 30.07.2024.
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