Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Polizeiliche Ehescheidung. Aber der Empfang war hier nicht der erwartete. Wereinmal von der Polizei gezeichnet worden ist, kann einer steten Aufmerksamkeit von kleinlichen, berichtlustigen Po¬ lizeiseelen gewiß sein, denn wenn man irgend in deutschen Verhältnissen Einigkeit suchen dürfte, so wäre es in denen der Polizei. Paul wurde abermals verwiesen, oder erhielt vielmehr von vornherein keine Erlaubniß zum Aufenthalt. Ein Grund wurde ihm für diese Maßnahme nicht ange¬ geben, aber man gab ihm zu verstehen, daß es wegen seiner Verweisung in K. geschehe; man wollte der Möglichkeit vorbeugen, in eine ähnliche Nothwendigkeit versetzt zu werden. Das nennt man eine Präventivmaßregel. Paul wollte zwar die Richtigkeit einer solchen nicht einsehen, und meinte, daß man demgemäß auch Jeden auf die bloße Möglichkeit hin, er könne einmal wahnsinnig wer¬ den, in ein Irrenhaus sperren dürfe, eine Sache, die doch noch nicht erhört sei: die Polizei aber gestattete ihm, auswärts darüber nachzudenken, und transportirte ihn über die Grenze. Diese Geschichte wiederholte sich noch ein¬ mal, und wenn Paul nicht noch einige dreißig Mal aus¬ gewiesen wurde, so lag das einzig darin, daß er endlich die Gelegenheit dazu vermied. Sein Gemüth wurde all¬ mählig furchtbar erbittert, und es läßt sich schwer be¬ Polizeiliche Eheſcheidung. Aber der Empfang war hier nicht der erwartete. Wereinmal von der Polizei gezeichnet worden iſt, kann einer ſteten Aufmerkſamkeit von kleinlichen, berichtluſtigen Po¬ lizeiſeelen gewiß ſein, denn wenn man irgend in deutſchen Verhaͤltniſſen Einigkeit ſuchen duͤrfte, ſo waͤre es in denen der Polizei. Paul wurde abermals verwieſen, oder erhielt vielmehr von vornherein keine Erlaubniß zum Aufenthalt. Ein Grund wurde ihm fuͤr dieſe Maßnahme nicht ange¬ geben, aber man gab ihm zu verſtehen, daß es wegen ſeiner Verweiſung in K. geſchehe; man wollte der Moͤglichkeit vorbeugen, in eine aͤhnliche Nothwendigkeit verſetzt zu werden. Das nennt man eine Praͤventivmaßregel. Paul wollte zwar die Richtigkeit einer ſolchen nicht einſehen, und meinte, daß man demgemaͤß auch Jeden auf die bloße Moͤglichkeit hin, er koͤnne einmal wahnſinnig wer¬ den, in ein Irrenhaus ſperren duͤrfe, eine Sache, die doch noch nicht erhoͤrt ſei: die Polizei aber geſtattete ihm, auswaͤrts daruͤber nachzudenken, und transportirte ihn uͤber die Grenze. Dieſe Geſchichte wiederholte ſich noch ein¬ mal, und wenn Paul nicht noch einige dreißig Mal aus¬ gewieſen wurde, ſo lag das einzig darin, daß er endlich die Gelegenheit dazu vermied. Sein Gemuͤth wurde all¬ maͤhlig furchtbar erbittert, und es laͤßt ſich ſchwer be¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0069" n="55"/><fw place="top" type="header">Polizeiliche Eheſcheidung.<lb/></fw> Aber der Empfang war hier nicht der erwartete. Wer<lb/> einmal von der Polizei gezeichnet worden iſt, kann einer<lb/> ſteten Aufmerkſamkeit von kleinlichen, berichtluſtigen Po¬<lb/> lizeiſeelen gewiß ſein, denn wenn man irgend in deutſchen<lb/> Verhaͤltniſſen Einigkeit ſuchen duͤrfte, ſo waͤre es in denen<lb/> der Polizei. Paul wurde abermals verwieſen, oder erhielt<lb/> vielmehr von vornherein keine Erlaubniß zum Aufenthalt.<lb/> Ein Grund wurde ihm fuͤr dieſe Maßnahme nicht ange¬<lb/> geben, aber man gab ihm zu verſtehen, daß es wegen ſeiner<lb/> Verweiſung in K. geſchehe; man wollte der Moͤglichkeit<lb/> vorbeugen, in eine aͤhnliche Nothwendigkeit verſetzt zu<lb/> werden. Das nennt man eine Praͤventivmaßregel. Paul<lb/> wollte zwar die Richtigkeit einer ſolchen nicht einſehen,<lb/> und meinte, daß man demgemaͤß auch Jeden auf die<lb/> bloße Moͤglichkeit hin, er koͤnne einmal wahnſinnig wer¬<lb/> den, in ein Irrenhaus ſperren duͤrfe, eine Sache, die<lb/> doch noch nicht erhoͤrt ſei: die Polizei aber geſtattete ihm,<lb/> auswaͤrts daruͤber nachzudenken, und transportirte ihn uͤber<lb/> die Grenze. Dieſe Geſchichte wiederholte ſich noch ein¬<lb/> mal, und wenn Paul nicht noch einige dreißig Mal aus¬<lb/> gewieſen wurde, ſo lag das einzig darin, daß er endlich<lb/> die Gelegenheit dazu vermied. Sein Gemuͤth wurde all¬<lb/> maͤhlig furchtbar erbittert, und es laͤßt ſich ſchwer be¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0069]
Polizeiliche Eheſcheidung.
Aber der Empfang war hier nicht der erwartete. Wer
einmal von der Polizei gezeichnet worden iſt, kann einer
ſteten Aufmerkſamkeit von kleinlichen, berichtluſtigen Po¬
lizeiſeelen gewiß ſein, denn wenn man irgend in deutſchen
Verhaͤltniſſen Einigkeit ſuchen duͤrfte, ſo waͤre es in denen
der Polizei. Paul wurde abermals verwieſen, oder erhielt
vielmehr von vornherein keine Erlaubniß zum Aufenthalt.
Ein Grund wurde ihm fuͤr dieſe Maßnahme nicht ange¬
geben, aber man gab ihm zu verſtehen, daß es wegen ſeiner
Verweiſung in K. geſchehe; man wollte der Moͤglichkeit
vorbeugen, in eine aͤhnliche Nothwendigkeit verſetzt zu
werden. Das nennt man eine Praͤventivmaßregel. Paul
wollte zwar die Richtigkeit einer ſolchen nicht einſehen,
und meinte, daß man demgemaͤß auch Jeden auf die
bloße Moͤglichkeit hin, er koͤnne einmal wahnſinnig wer¬
den, in ein Irrenhaus ſperren duͤrfe, eine Sache, die
doch noch nicht erhoͤrt ſei: die Polizei aber geſtattete ihm,
auswaͤrts daruͤber nachzudenken, und transportirte ihn uͤber
die Grenze. Dieſe Geſchichte wiederholte ſich noch ein¬
mal, und wenn Paul nicht noch einige dreißig Mal aus¬
gewieſen wurde, ſo lag das einzig darin, daß er endlich
die Gelegenheit dazu vermied. Sein Gemuͤth wurde all¬
maͤhlig furchtbar erbittert, und es laͤßt ſich ſchwer be¬
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