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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Armuth und Verbrechen.
Bild seines Jammers waren. Aber er küßte seine Frau
innig und sagte beim Weggehn mit fester Ruhe:

"Es wird wohl noch gut werden!" --


Bei dem reichen Manne mußte Schenk diesmal ge¬
raume Zeit in der Hausflur stehen. Die gallonirten Be¬
dienten kamen mit silbernen Schüsseln aus den Zimmern,
und strichen an ihm vorüber, indem sie ihn aus dem
Wege gehn hießen oder gar verächtlich zur Seite stießen.
Anfangs hatten sie ihn, seines schmutzigen und zerschlisse¬
nen Aeußern wegen, fortjagen wollen, zumal der Herr
noch bei Tische saß, aber Schenk behauptete, dringlich
mit dem Herrn sprechen zu müssen, und wollte lieber
unter der beleidigenden Behandlung des Bedientenvolks
ausharren, als sich seiner letzten Hoffnung begeben.

Nach Verlauf von anderthalb Stunden endlich ward
er in einen Vorsaal gewiesen, wo er abermals eine Vier¬
telstunde wartete. Er betrachtete mit ausdruckslosem
Blick ein Gemälde, während seine Gedanken, ermüdet
und abgespannt, fern von dem Ort und dem Zweck sei¬
nes Besuches waren. Als er aber im Nebenzimmer den

Armuth und Verbrechen.
Bild ſeines Jammers waren. Aber er kuͤßte ſeine Frau
innig und ſagte beim Weggehn mit feſter Ruhe:

„Es wird wohl noch gut werden!“ —


Bei dem reichen Manne mußte Schenk diesmal ge¬
raume Zeit in der Hausflur ſtehen. Die gallonirten Be¬
dienten kamen mit ſilbernen Schuͤſſeln aus den Zimmern,
und ſtrichen an ihm voruͤber, indem ſie ihn aus dem
Wege gehn hießen oder gar veraͤchtlich zur Seite ſtießen.
Anfangs hatten ſie ihn, ſeines ſchmutzigen und zerſchliſſe¬
nen Aeußern wegen, fortjagen wollen, zumal der Herr
noch bei Tiſche ſaß, aber Schenk behauptete, dringlich
mit dem Herrn ſprechen zu muͤſſen, und wollte lieber
unter der beleidigenden Behandlung des Bedientenvolks
ausharren, als ſich ſeiner letzten Hoffnung begeben.

Nach Verlauf von anderthalb Stunden endlich ward
er in einen Vorſaal gewieſen, wo er abermals eine Vier¬
telſtunde wartete. Er betrachtete mit ausdrucksloſem
Blick ein Gemaͤlde, waͤhrend ſeine Gedanken, ermuͤdet
und abgeſpannt, fern von dem Ort und dem Zweck ſei¬
nes Beſuches waren. Als er aber im Nebenzimmer den

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[38/0052] Armuth und Verbrechen. Bild ſeines Jammers waren. Aber er kuͤßte ſeine Frau innig und ſagte beim Weggehn mit feſter Ruhe: „Es wird wohl noch gut werden!“ — Bei dem reichen Manne mußte Schenk diesmal ge¬ raume Zeit in der Hausflur ſtehen. Die gallonirten Be¬ dienten kamen mit ſilbernen Schuͤſſeln aus den Zimmern, und ſtrichen an ihm voruͤber, indem ſie ihn aus dem Wege gehn hießen oder gar veraͤchtlich zur Seite ſtießen. Anfangs hatten ſie ihn, ſeines ſchmutzigen und zerſchliſſe¬ nen Aeußern wegen, fortjagen wollen, zumal der Herr noch bei Tiſche ſaß, aber Schenk behauptete, dringlich mit dem Herrn ſprechen zu muͤſſen, und wollte lieber unter der beleidigenden Behandlung des Bedientenvolks ausharren, als ſich ſeiner letzten Hoffnung begeben. Nach Verlauf von anderthalb Stunden endlich ward er in einen Vorſaal gewieſen, wo er abermals eine Vier¬ telſtunde wartete. Er betrachtete mit ausdrucksloſem Blick ein Gemaͤlde, waͤhrend ſeine Gedanken, ermuͤdet und abgeſpannt, fern von dem Ort und dem Zweck ſei¬ nes Beſuches waren. Als er aber im Nebenzimmer den

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/52>, abgerufen am 23.11.2024.