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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Armuth und Verbrechen.
Kind vor der gräßlichen Qual des Hungers schützen
können:

Bei dem fragenden Blick, den das matte glanzlose
Auge seiner Frau auf ihn heftete, zog der Handwerker
das Essen aus der Tasche und reichte ihr dasselbe schwei¬
gend hin.

"Du hast irgend eine Arbeit bekommen?" sagte sie
lebhaft.

Schenk hatte sich auf den alten Kasten gesetzt und
die Hände über das Knie gekreuzt. Ohne nur aufzu¬
blicken, erwiederte er nachlässig:

"Nein. Ich habe das von einem Bekannten aus
meiner Gefängnißzeit gekriegt." --

Die Frau hielt plötzlich mit Essen inne, und blickte
erschrocken bei diesen Worten nach ihrem Manne hin.

"Fritz!" rief sie mit ängstlichem Ausdruck, "Du hast
doch nicht --"

"Gestohlen, willst Du sagen?" antwortete Schenk
mit erzwungenem Lachen, als die Frau inne hielt. "Noch
nicht, mein Schatz, noch nicht. Nur eine Gelegenheit
dazu hat er mir angegeben." --

"Gott steh' uns bei, Fritz! Wie kannst Du nur

Armuth und Verbrechen.
Kind vor der graͤßlichen Qual des Hungers ſchuͤtzen
koͤnnen:

Bei dem fragenden Blick, den das matte glanzloſe
Auge ſeiner Frau auf ihn heftete, zog der Handwerker
das Eſſen aus der Taſche und reichte ihr daſſelbe ſchwei¬
gend hin.

„Du haſt irgend eine Arbeit bekommen?“ ſagte ſie
lebhaft.

Schenk hatte ſich auf den alten Kaſten geſetzt und
die Haͤnde uͤber das Knie gekreuzt. Ohne nur aufzu¬
blicken, erwiederte er nachlaͤſſig:

„Nein. Ich habe das von einem Bekannten aus
meiner Gefaͤngnißzeit gekriegt.“ —

Die Frau hielt ploͤtzlich mit Eſſen inne, und blickte
erſchrocken bei dieſen Worten nach ihrem Manne hin.

„Fritz!“ rief ſie mit aͤngſtlichem Ausdruck, „Du haſt
doch nicht —“

„Geſtohlen, willſt Du ſagen?“ antwortete Schenk
mit erzwungenem Lachen, als die Frau inne hielt. „Noch
nicht, mein Schatz, noch nicht. Nur eine Gelegenheit
dazu hat er mir angegeben.“ —

„Gott ſteh' uns bei, Fritz! Wie kannſt Du nur

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[34/0048] Armuth und Verbrechen. Kind vor der graͤßlichen Qual des Hungers ſchuͤtzen koͤnnen: Bei dem fragenden Blick, den das matte glanzloſe Auge ſeiner Frau auf ihn heftete, zog der Handwerker das Eſſen aus der Taſche und reichte ihr daſſelbe ſchwei¬ gend hin. „Du haſt irgend eine Arbeit bekommen?“ ſagte ſie lebhaft. Schenk hatte ſich auf den alten Kaſten geſetzt und die Haͤnde uͤber das Knie gekreuzt. Ohne nur aufzu¬ blicken, erwiederte er nachlaͤſſig: „Nein. Ich habe das von einem Bekannten aus meiner Gefaͤngnißzeit gekriegt.“ — Die Frau hielt ploͤtzlich mit Eſſen inne, und blickte erſchrocken bei dieſen Worten nach ihrem Manne hin. „Fritz!“ rief ſie mit aͤngſtlichem Ausdruck, „Du haſt doch nicht —“ „Geſtohlen, willſt Du ſagen?“ antwortete Schenk mit erzwungenem Lachen, als die Frau inne hielt. „Noch nicht, mein Schatz, noch nicht. Nur eine Gelegenheit dazu hat er mir angegeben.“ — „Gott ſteh' uns bei, Fritz! Wie kannſt Du nur

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/48>, abgerufen am 23.11.2024.