Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Armuth und Verbrechen. Gedanken, wie er diesmal die augenblickliche Noth ab¬wenden könne. Wer ihn jetzt sah, erkannte in ihm den früher fleißigen und ordentlichen Arbeiter nicht mehr. Sein Aeußeres trug den Stempel der schauderhaftesten Verwahrlosung, die Kleider schlotterten ihm schmutzig und zerlumpt am Leibe herab, seine tiefliegenden Augen waren glanzlos und stumpf, sein Haar wirr und strup¬ pig, und sein Gesicht zeugte von Entbehrungen und gräßlichem Elend. An der Ecke zweier Straßen blieb er einige Augenblicke vor der Ladenthür eines eleganten Fleischerladens stehen. Während er mit heimlicher Lü¬ sternheit die verlockenden, reinlichen Fleischwaaren be¬ trachtete und an seine Armen daheim dachte, stieg eine plötzliche Versuchung in ihm auf. Die Thür war offen und der Laden leer. Sein Herz pochte in Unentschlos¬ senheit, aber er wandte sich weg, und schritt langsam die Straße weiter. In diesem Augenblick war ein Mann flüchtig an Armuth und Verbrechen. Gedanken, wie er diesmal die augenblickliche Noth ab¬wenden koͤnne. Wer ihn jetzt ſah, erkannte in ihm den fruͤher fleißigen und ordentlichen Arbeiter nicht mehr. Sein Aeußeres trug den Stempel der ſchauderhafteſten Verwahrloſung, die Kleider ſchlotterten ihm ſchmutzig und zerlumpt am Leibe herab, ſeine tiefliegenden Augen waren glanzlos und ſtumpf, ſein Haar wirr und ſtrup¬ pig, und ſein Geſicht zeugte von Entbehrungen und graͤßlichem Elend. An der Ecke zweier Straßen blieb er einige Augenblicke vor der Ladenthuͤr eines eleganten Fleiſcherladens ſtehen. Waͤhrend er mit heimlicher Luͤ¬ ſternheit die verlockenden, reinlichen Fleiſchwaaren be¬ trachtete und an ſeine Armen daheim dachte, ſtieg eine ploͤtzliche Verſuchung in ihm auf. Die Thuͤr war offen und der Laden leer. Sein Herz pochte in Unentſchloſ¬ ſenheit, aber er wandte ſich weg, und ſchritt langſam die Straße weiter. In dieſem Augenblick war ein Mann fluͤchtig an <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0038" n="24"/><fw place="top" type="header">Armuth und Verbrechen.<lb/></fw> Gedanken, wie er diesmal die augenblickliche Noth ab¬<lb/> wenden koͤnne. Wer ihn jetzt ſah, erkannte in ihm<lb/> den fruͤher fleißigen und ordentlichen Arbeiter nicht mehr.<lb/> Sein Aeußeres trug den Stempel der ſchauderhafteſten<lb/> Verwahrloſung, die Kleider ſchlotterten ihm ſchmutzig<lb/> und zerlumpt am Leibe herab, ſeine tiefliegenden Augen<lb/> waren glanzlos und ſtumpf, ſein Haar wirr und ſtrup¬<lb/> pig, und ſein Geſicht zeugte von Entbehrungen und<lb/> graͤßlichem Elend. An der Ecke zweier Straßen blieb<lb/> er einige Augenblicke vor der Ladenthuͤr eines eleganten<lb/> Fleiſcherladens ſtehen. Waͤhrend er mit heimlicher Luͤ¬<lb/> ſternheit die verlockenden, reinlichen Fleiſchwaaren be¬<lb/> trachtete und an ſeine Armen daheim dachte, ſtieg eine<lb/> ploͤtzliche Verſuchung in ihm auf. Die Thuͤr war offen<lb/> und der Laden leer. Sein Herz pochte in Unentſchloſ¬<lb/> ſenheit, aber er wandte ſich weg, und ſchritt langſam<lb/> die Straße weiter.</p><lb/> <p>In dieſem Augenblick war ein Mann fluͤchtig an<lb/> ihm voruͤber geſtreift. Einige Schritte weiter blieb der¬<lb/> ſelbe ploͤtzlich ſtehen, gleich als ob Schenks Geſicht eine<lb/> Erinnerung in ihm hervorgerufen, und blickte ihm nach.<lb/> Als er uͤber die Perſon Schenks im Reinen zu ſein<lb/> ſchien, kehrte er um, und Schenk ward durch einen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0038]
Armuth und Verbrechen.
Gedanken, wie er diesmal die augenblickliche Noth ab¬
wenden koͤnne. Wer ihn jetzt ſah, erkannte in ihm
den fruͤher fleißigen und ordentlichen Arbeiter nicht mehr.
Sein Aeußeres trug den Stempel der ſchauderhafteſten
Verwahrloſung, die Kleider ſchlotterten ihm ſchmutzig
und zerlumpt am Leibe herab, ſeine tiefliegenden Augen
waren glanzlos und ſtumpf, ſein Haar wirr und ſtrup¬
pig, und ſein Geſicht zeugte von Entbehrungen und
graͤßlichem Elend. An der Ecke zweier Straßen blieb
er einige Augenblicke vor der Ladenthuͤr eines eleganten
Fleiſcherladens ſtehen. Waͤhrend er mit heimlicher Luͤ¬
ſternheit die verlockenden, reinlichen Fleiſchwaaren be¬
trachtete und an ſeine Armen daheim dachte, ſtieg eine
ploͤtzliche Verſuchung in ihm auf. Die Thuͤr war offen
und der Laden leer. Sein Herz pochte in Unentſchloſ¬
ſenheit, aber er wandte ſich weg, und ſchritt langſam
die Straße weiter.
In dieſem Augenblick war ein Mann fluͤchtig an
ihm voruͤber geſtreift. Einige Schritte weiter blieb der¬
ſelbe ploͤtzlich ſtehen, gleich als ob Schenks Geſicht eine
Erinnerung in ihm hervorgerufen, und blickte ihm nach.
Als er uͤber die Perſon Schenks im Reinen zu ſein
ſchien, kehrte er um, und Schenk ward durch einen
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