Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Armuth und Verbrechen. Zögern, ob Niemand komme. Es war Alles still, undängstlich vorsichtig hob er die Brieftasche auf. Als er sie eben geöffnet hatte, und nur den Rand einiges Pa¬ piergeldes sah, nahte sich von Außen der Schritt des Herrn. Schenk wollte die Brieftasche rasch wieder zu¬ sammenklappen, aber die zitternde Hast ließ ihn im Augenblick das kleine Schlößchen nicht finden, und mit einem plötzlichen Entschluß schob er sie unter seinen Rock auf die Brust. Als der Mann eintrat, klopfte sein Herz heftig gegen das lederne Etui; es war, als woll¬ ten die Schläge das geraubte Gut von dort wegdrän¬ gen. Während ihm der Eigenthümer den Lohn für die Tischlerarbeit auf den Tisch zählte, stand er in fiebern¬ der Angst vor Entdeckung und die Sohlen brannten ihm, den Ort seines Vergehens endlich verlassen zu können. Zu Hause fand er, daß die Brieftasche nur eine Als der Besitzer den Verlust seiner Brieftasche be¬ Armuth und Verbrechen. Zoͤgern, ob Niemand komme. Es war Alles ſtill, undaͤngſtlich vorſichtig hob er die Brieftaſche auf. Als er ſie eben geoͤffnet hatte, und nur den Rand einiges Pa¬ piergeldes ſah, nahte ſich von Außen der Schritt des Herrn. Schenk wollte die Brieftaſche raſch wieder zu¬ ſammenklappen, aber die zitternde Haſt ließ ihn im Augenblick das kleine Schloͤßchen nicht finden, und mit einem ploͤtzlichen Entſchluß ſchob er ſie unter ſeinen Rock auf die Bruſt. Als der Mann eintrat, klopfte ſein Herz heftig gegen das lederne Etui; es war, als woll¬ ten die Schlaͤge das geraubte Gut von dort wegdraͤn¬ gen. Waͤhrend ihm der Eigenthuͤmer den Lohn fuͤr die Tiſchlerarbeit auf den Tiſch zaͤhlte, ſtand er in fiebern¬ der Angſt vor Entdeckung und die Sohlen brannten ihm, den Ort ſeines Vergehens endlich verlaſſen zu koͤnnen. Zu Hauſe fand er, daß die Brieftaſche nur eine Als der Beſitzer den Verluſt ſeiner Brieftaſche be¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0027" n="13"/><fw place="top" type="header">Armuth und Verbrechen.<lb/></fw> Zoͤgern, ob Niemand komme. Es war Alles ſtill, und<lb/> aͤngſtlich vorſichtig hob er die Brieftaſche auf. Als er<lb/> ſie eben geoͤffnet hatte, und nur den Rand einiges Pa¬<lb/> piergeldes ſah, nahte ſich von Außen der Schritt des<lb/> Herrn. Schenk wollte die Brieftaſche raſch wieder zu¬<lb/> ſammenklappen, aber die zitternde Haſt ließ ihn im<lb/> Augenblick das kleine Schloͤßchen nicht finden, und mit<lb/> einem ploͤtzlichen Entſchluß ſchob er ſie unter ſeinen Rock<lb/> auf die Bruſt. Als der Mann eintrat, klopfte ſein<lb/> Herz heftig gegen das lederne Etui; es war, als woll¬<lb/> ten die Schlaͤge das geraubte Gut von dort wegdraͤn¬<lb/> gen. Waͤhrend ihm der Eigenthuͤmer den Lohn fuͤr die<lb/> Tiſchlerarbeit auf den Tiſch zaͤhlte, ſtand er in fiebern¬<lb/> der Angſt vor Entdeckung und die Sohlen brannten<lb/> ihm, den Ort ſeines Vergehens endlich verlaſſen zu<lb/> koͤnnen.</p><lb/> <p>Zu Hauſe fand er, daß die Brieftaſche nur eine<lb/> Kleinigkeit an Geld enthielt. Er vermochte jedoch nicht,<lb/> daruͤber zu rechnen, ſeine Gedanken waren einzig mit<lb/> ſeiner boͤſen That beſchaͤftigt. Die Folgen blieben auch<lb/> nicht aus.</p><lb/> <p>Als der Beſitzer den Verluſt ſeiner Brieftaſche be¬<lb/> merkte, ſtieg in ihm ſogleich der Verdacht gegen den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [13/0027]
Armuth und Verbrechen.
Zoͤgern, ob Niemand komme. Es war Alles ſtill, und
aͤngſtlich vorſichtig hob er die Brieftaſche auf. Als er
ſie eben geoͤffnet hatte, und nur den Rand einiges Pa¬
piergeldes ſah, nahte ſich von Außen der Schritt des
Herrn. Schenk wollte die Brieftaſche raſch wieder zu¬
ſammenklappen, aber die zitternde Haſt ließ ihn im
Augenblick das kleine Schloͤßchen nicht finden, und mit
einem ploͤtzlichen Entſchluß ſchob er ſie unter ſeinen Rock
auf die Bruſt. Als der Mann eintrat, klopfte ſein
Herz heftig gegen das lederne Etui; es war, als woll¬
ten die Schlaͤge das geraubte Gut von dort wegdraͤn¬
gen. Waͤhrend ihm der Eigenthuͤmer den Lohn fuͤr die
Tiſchlerarbeit auf den Tiſch zaͤhlte, ſtand er in fiebern¬
der Angſt vor Entdeckung und die Sohlen brannten
ihm, den Ort ſeines Vergehens endlich verlaſſen zu
koͤnnen.
Zu Hauſe fand er, daß die Brieftaſche nur eine
Kleinigkeit an Geld enthielt. Er vermochte jedoch nicht,
daruͤber zu rechnen, ſeine Gedanken waren einzig mit
ſeiner boͤſen That beſchaͤftigt. Die Folgen blieben auch
nicht aus.
Als der Beſitzer den Verluſt ſeiner Brieftaſche be¬
merkte, ſtieg in ihm ſogleich der Verdacht gegen den
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