Dienern. "Hebt ihn auf, und schafft ihn auf sein Zimmer!" --
Seine Worte waren prophetisch. Als der Polizei¬ rath erwachte, war das Licht der Vernunft für immer in ihm erloschen. Er starb erst nach langen Leiden im Irrenhaus zu ***, und sein trauriger Zustand wurde durch die gräßlichsten Visionen und Beängstigungen noch furchtbarer gemacht. Er sah fortwährend gespenstische Schaaren von Gefangenen und Todten, die ihn und seine Kinder verfolgten; er kämpfte stundenlang in wü¬ thendster Aufregung gegen die leere Luft, bis er endlich erschöpft niedersank, und oft in stiller Nacht fuhren die übrigen Irren zitternd vor seinem gellenden, durchdrin¬ genden Angstschrei in ihren Zellen empor. Der Tod er¬ löste ihn zuletzt von seinen Leiden.
Arthur starb schon nach Verlauf einiger Monate und wurde neben seiner Mutter begraben.
Von den beiden Entflohenen hat man nie wieder gehört; sie sind in der Fremde "gestorben, verdorben." Nur ein dunkles Gerücht wurde einst dahin laut, daß Aurelio Charlotten in Frankreich, wohin sich beide ge¬ wendet, verlassen habe; Charlotte habe sich nun eine Zeitlang kümmerlich durch ihrer Hände Arbeit zu ernäh¬
Das Unvermeidliche.
Dienern. „Hebt ihn auf, und ſchafft ihn auf ſein Zimmer!“ —
Seine Worte waren prophetiſch. Als der Polizei¬ rath erwachte, war das Licht der Vernunft fuͤr immer in ihm erloſchen. Er ſtarb erſt nach langen Leiden im Irrenhaus zu ***, und ſein trauriger Zuſtand wurde durch die graͤßlichſten Viſionen und Beaͤngſtigungen noch furchtbarer gemacht. Er ſah fortwaͤhrend geſpenſtiſche Schaaren von Gefangenen und Todten, die ihn und ſeine Kinder verfolgten; er kaͤmpfte ſtundenlang in wuͤ¬ thendſter Aufregung gegen die leere Luft, bis er endlich erſchoͤpft niederſank, und oft in ſtiller Nacht fuhren die uͤbrigen Irren zitternd vor ſeinem gellenden, durchdrin¬ genden Angſtſchrei in ihren Zellen empor. Der Tod er¬ loͤſte ihn zuletzt von ſeinen Leiden.
Arthur ſtarb ſchon nach Verlauf einiger Monate und wurde neben ſeiner Mutter begraben.
Von den beiden Entflohenen hat man nie wieder gehoͤrt; ſie ſind in der Fremde „geſtorben, verdorben.“ Nur ein dunkles Geruͤcht wurde einſt dahin laut, daß Aurelio Charlotten in Frankreich, wohin ſich beide ge¬ wendet, verlaſſen habe; Charlotte habe ſich nun eine Zeitlang kuͤmmerlich durch ihrer Haͤnde Arbeit zu ernaͤh¬
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Das Unvermeidliche.
Dienern. „Hebt ihn auf, und ſchafft ihn auf ſein
Zimmer!“ —
Seine Worte waren prophetiſch. Als der Polizei¬
rath erwachte, war das Licht der Vernunft fuͤr immer
in ihm erloſchen. Er ſtarb erſt nach langen Leiden im
Irrenhaus zu ***, und ſein trauriger Zuſtand wurde
durch die graͤßlichſten Viſionen und Beaͤngſtigungen noch
furchtbarer gemacht. Er ſah fortwaͤhrend geſpenſtiſche
Schaaren von Gefangenen und Todten, die ihn und
ſeine Kinder verfolgten; er kaͤmpfte ſtundenlang in wuͤ¬
thendſter Aufregung gegen die leere Luft, bis er endlich
erſchoͤpft niederſank, und oft in ſtiller Nacht fuhren die
uͤbrigen Irren zitternd vor ſeinem gellenden, durchdrin¬
genden Angſtſchrei in ihren Zellen empor. Der Tod er¬
loͤſte ihn zuletzt von ſeinen Leiden.
Arthur ſtarb ſchon nach Verlauf einiger Monate
und wurde neben ſeiner Mutter begraben.
Von den beiden Entflohenen hat man nie wieder
gehoͤrt; ſie ſind in der Fremde „geſtorben, verdorben.“
Nur ein dunkles Geruͤcht wurde einſt dahin laut, daß
Aurelio Charlotten in Frankreich, wohin ſich beide ge¬
wendet, verlaſſen habe; Charlotte habe ſich nun eine
Zeitlang kuͤmmerlich durch ihrer Haͤnde Arbeit zu ernaͤh¬
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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/213>, abgerufen am 17.02.2025.
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