Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Unvermeidliche.
Geisterbild eines gequälten Gewissens. Das starre, glanz¬
lose Auge mit seinem ausdruckslosen Glasblick lag tiefer
in den Höhlen, die Falten um den Mund, die auf ei¬
nen Roue oder Spieler hätten schließen lassen können,
hatten sich breiter gefurcht, und die Farbe seines Gesichts
war fast bleiern geworden. Dennoch glaubte er zu füh¬
len, daß das Bad seiner Gesundheit wohl thue. Es
war aber nur eine geistige Ruhe, die Ruhe einer glück¬
lichen Hoffnung, die ihn aufrichtete, und keineswegs das
Bad. Es war die Hoffnung auf das Glück, nun bald
seine Tochter an seiner Seite haben zu können.

An einem Nachmittag saß der Polizeidirektor allein
noch an der Wirthstafel, als der Kellner ihm meldete,
daß ein Mann draußen sei, der ihn sprechen wolle. Da
Niemand weiter in dem Speisesaal saß, so befahl der
Polizeidirektor den Fremden hereinzuführen. Der Kell¬
ner rief nun den Wartenden herbei und begann dann
die Speisetische abzudecken.

Der Fremde, der jetzt eintrat, trug einen großen Rei¬
termantel, dessen Kragen in die Höhe geschlagen war, die
Haare hingen ihn verwirrt über das Gesicht, und sein
bespritzter, unordentlicher Anzug deutete darauf, daß er
eine lange, anhaltende Reise gemacht. Der Polizeidirek¬

Das Unvermeidliche.
Geiſterbild eines gequaͤlten Gewiſſens. Das ſtarre, glanz¬
loſe Auge mit ſeinem ausdrucksloſen Glasblick lag tiefer
in den Hoͤhlen, die Falten um den Mund, die auf ei¬
nen Rouè oder Spieler haͤtten ſchließen laſſen koͤnnen,
hatten ſich breiter gefurcht, und die Farbe ſeines Geſichts
war faſt bleiern geworden. Dennoch glaubte er zu fuͤh¬
len, daß das Bad ſeiner Geſundheit wohl thue. Es
war aber nur eine geiſtige Ruhe, die Ruhe einer gluͤck¬
lichen Hoffnung, die ihn aufrichtete, und keineswegs das
Bad. Es war die Hoffnung auf das Gluͤck, nun bald
ſeine Tochter an ſeiner Seite haben zu koͤnnen.

An einem Nachmittag ſaß der Polizeidirektor allein
noch an der Wirthstafel, als der Kellner ihm meldete,
daß ein Mann draußen ſei, der ihn ſprechen wolle. Da
Niemand weiter in dem Speiſeſaal ſaß, ſo befahl der
Polizeidirektor den Fremden hereinzufuͤhren. Der Kell¬
ner rief nun den Wartenden herbei und begann dann
die Speiſetiſche abzudecken.

Der Fremde, der jetzt eintrat, trug einen großen Rei¬
termantel, deſſen Kragen in die Hoͤhe geſchlagen war, die
Haare hingen ihn verwirrt uͤber das Geſicht, und ſein
beſpritzter, unordentlicher Anzug deutete darauf, daß er
eine lange, anhaltende Reiſe gemacht. Der Polizeidirek¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0211" n="197"/><fw place="top" type="header">Das Unvermeidliche.<lb/></fw>Gei&#x017F;terbild eines gequa&#x0364;lten Gewi&#x017F;&#x017F;ens. Das &#x017F;tarre, glanz¬<lb/>
lo&#x017F;e Auge mit &#x017F;einem ausdruckslo&#x017F;en Glasblick lag tiefer<lb/>
in den Ho&#x0364;hlen, die Falten um den Mund, die auf ei¬<lb/>
nen Rou<hi rendition="#aq">è</hi> oder Spieler ha&#x0364;tten &#x017F;chließen la&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen,<lb/>
hatten &#x017F;ich breiter gefurcht, und die Farbe &#x017F;eines Ge&#x017F;ichts<lb/>
war fa&#x017F;t bleiern geworden. Dennoch glaubte er zu fu&#x0364;<lb/>
len, daß das Bad &#x017F;einer Ge&#x017F;undheit wohl thue. Es<lb/>
war aber nur eine gei&#x017F;tige Ruhe, die Ruhe einer glu&#x0364;ck¬<lb/>
lichen Hoffnung, die ihn aufrichtete, und keineswegs das<lb/>
Bad. Es war die Hoffnung auf das Glu&#x0364;ck, nun bald<lb/>
&#x017F;eine Tochter an &#x017F;einer Seite haben zu ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>An einem Nachmittag &#x017F;aß der Polizeidirektor allein<lb/>
noch an der Wirthstafel, als der Kellner ihm meldete,<lb/>
daß ein Mann draußen &#x017F;ei, der ihn &#x017F;prechen wolle. Da<lb/>
Niemand weiter in dem Spei&#x017F;e&#x017F;aal &#x017F;aß, &#x017F;o befahl der<lb/>
Polizeidirektor den Fremden hereinzufu&#x0364;hren. Der Kell¬<lb/>
ner rief nun den Wartenden herbei und begann dann<lb/>
die Spei&#x017F;eti&#x017F;che abzudecken.</p><lb/>
        <p>Der Fremde, der jetzt eintrat, trug einen großen Rei¬<lb/>
termantel, de&#x017F;&#x017F;en Kragen in die Ho&#x0364;he ge&#x017F;chlagen war, die<lb/>
Haare hingen ihn verwirrt u&#x0364;ber das Ge&#x017F;icht, und &#x017F;ein<lb/>
be&#x017F;pritzter, unordentlicher Anzug deutete darauf, daß er<lb/>
eine lange, anhaltende Rei&#x017F;e gemacht. Der Polizeidirek¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0211] Das Unvermeidliche. Geiſterbild eines gequaͤlten Gewiſſens. Das ſtarre, glanz¬ loſe Auge mit ſeinem ausdrucksloſen Glasblick lag tiefer in den Hoͤhlen, die Falten um den Mund, die auf ei¬ nen Rouè oder Spieler haͤtten ſchließen laſſen koͤnnen, hatten ſich breiter gefurcht, und die Farbe ſeines Geſichts war faſt bleiern geworden. Dennoch glaubte er zu fuͤh¬ len, daß das Bad ſeiner Geſundheit wohl thue. Es war aber nur eine geiſtige Ruhe, die Ruhe einer gluͤck¬ lichen Hoffnung, die ihn aufrichtete, und keineswegs das Bad. Es war die Hoffnung auf das Gluͤck, nun bald ſeine Tochter an ſeiner Seite haben zu koͤnnen. An einem Nachmittag ſaß der Polizeidirektor allein noch an der Wirthstafel, als der Kellner ihm meldete, daß ein Mann draußen ſei, der ihn ſprechen wolle. Da Niemand weiter in dem Speiſeſaal ſaß, ſo befahl der Polizeidirektor den Fremden hereinzufuͤhren. Der Kell¬ ner rief nun den Wartenden herbei und begann dann die Speiſetiſche abzudecken. Der Fremde, der jetzt eintrat, trug einen großen Rei¬ termantel, deſſen Kragen in die Hoͤhe geſchlagen war, die Haare hingen ihn verwirrt uͤber das Geſicht, und ſein beſpritzter, unordentlicher Anzug deutete darauf, daß er eine lange, anhaltende Reiſe gemacht. Der Polizeidirek¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/211
Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/211>, abgerufen am 15.05.2024.