Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Armuth und Verbrechen. ten, wo es weniger Arbeit gab, einige seiner Arbeiterentlassen. So lange Schenk im Besitz seiner vollen Kraft und Thätigkeit war, hatte er nicht nöthig gehabt, um sein Unterkommen besorgt zu sein, jetzt machten ihn tüchtigere Arbeiter seinem Meister entbehrlich. Der Mann war nicht hart gegen ihn gewesen. Er hatte Schenk von früher als einen brauchbaren, ordentlichen und willigen Arbeiter schätzen gelernt und wollte ihn wegen seines Unglückes nicht von sich stoßen. So lange er noch die Hoffnung hatte, daß der schwache Arm des Gesellen sich an die Arbeit gewöhnen würde, hatte er Nachsicht und Geduld mit ihm gehabt. Als sich jedoch diese Hoffnung verlor, vermochte er nichts mehr für Schenks Zukunft zu thun. Er stellte ihn in die zweite Klasse der Arbeiter, gab ihm nur geringere Arbeit, welche weniger Sorgfalt und Kraft erforderte, und be¬ schränkte demgemäß seinen frühern Lohn. Schenk ver¬ lor dabei die Lust und Liebe zur Arbeit, denn er fühlte sich unverschuldeter Weise gedrückt. Der Meister machte ihm jetzt zum erstenmal Vorwürfe wegen Nachlässigkeit und wies ihn zu größerem Eifer an. Allein Schenk war überhaupt nicht mehr der alte. Seine Lage hatte ihn finster und mürrisch gemacht, und die Ermahnun¬ Armuth und Verbrechen. ten, wo es weniger Arbeit gab, einige ſeiner Arbeiterentlaſſen. So lange Schenk im Beſitz ſeiner vollen Kraft und Thaͤtigkeit war, hatte er nicht noͤthig gehabt, um ſein Unterkommen beſorgt zu ſein, jetzt machten ihn tuͤchtigere Arbeiter ſeinem Meiſter entbehrlich. Der Mann war nicht hart gegen ihn geweſen. Er hatte Schenk von fruͤher als einen brauchbaren, ordentlichen und willigen Arbeiter ſchaͤtzen gelernt und wollte ihn wegen ſeines Ungluͤckes nicht von ſich ſtoßen. So lange er noch die Hoffnung hatte, daß der ſchwache Arm des Geſellen ſich an die Arbeit gewoͤhnen wuͤrde, hatte er Nachſicht und Geduld mit ihm gehabt. Als ſich jedoch dieſe Hoffnung verlor, vermochte er nichts mehr fuͤr Schenks Zukunft zu thun. Er ſtellte ihn in die zweite Klaſſe der Arbeiter, gab ihm nur geringere Arbeit, welche weniger Sorgfalt und Kraft erforderte, und be¬ ſchraͤnkte demgemaͤß ſeinen fruͤhern Lohn. Schenk ver¬ lor dabei die Luſt und Liebe zur Arbeit, denn er fuͤhlte ſich unverſchuldeter Weiſe gedruͤckt. Der Meiſter machte ihm jetzt zum erſtenmal Vorwuͤrfe wegen Nachlaͤſſigkeit und wies ihn zu groͤßerem Eifer an. Allein Schenk war uͤberhaupt nicht mehr der alte. Seine Lage hatte ihn finſter und muͤrriſch gemacht, und die Ermahnun¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0021" n="7"/><fw place="top" type="header">Armuth und Verbrechen.<lb/></fw> ten, wo es weniger Arbeit gab, einige ſeiner Arbeiter<lb/> entlaſſen. So lange Schenk im Beſitz ſeiner vollen<lb/> Kraft und Thaͤtigkeit war, hatte er nicht noͤthig gehabt,<lb/> um ſein Unterkommen beſorgt zu ſein, jetzt machten<lb/> ihn tuͤchtigere Arbeiter ſeinem Meiſter entbehrlich. Der<lb/> Mann war nicht hart gegen ihn geweſen. Er hatte<lb/> Schenk von fruͤher als einen brauchbaren, ordentlichen<lb/> und willigen Arbeiter ſchaͤtzen gelernt und wollte ihn<lb/> wegen ſeines Ungluͤckes nicht von ſich ſtoßen. So lange<lb/> er noch die Hoffnung hatte, daß der ſchwache Arm des<lb/> Geſellen ſich an die Arbeit gewoͤhnen wuͤrde, hatte er<lb/> Nachſicht und Geduld mit ihm gehabt. Als ſich jedoch<lb/> dieſe Hoffnung verlor, vermochte er nichts mehr fuͤr<lb/> Schenks Zukunft zu thun. Er ſtellte ihn in die zweite<lb/> Klaſſe der Arbeiter, gab ihm nur geringere Arbeit,<lb/> welche weniger Sorgfalt und Kraft erforderte, und be¬<lb/> ſchraͤnkte demgemaͤß ſeinen fruͤhern Lohn. Schenk ver¬<lb/> lor dabei die Luſt und Liebe zur Arbeit, denn er fuͤhlte<lb/> ſich unverſchuldeter Weiſe gedruͤckt. Der Meiſter machte<lb/> ihm jetzt zum erſtenmal Vorwuͤrfe wegen Nachlaͤſſigkeit<lb/> und wies ihn zu groͤßerem Eifer an. Allein Schenk<lb/> war uͤberhaupt nicht mehr der alte. Seine Lage hatte<lb/> ihn finſter und muͤrriſch gemacht, und die Ermahnun¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0021]
Armuth und Verbrechen.
ten, wo es weniger Arbeit gab, einige ſeiner Arbeiter
entlaſſen. So lange Schenk im Beſitz ſeiner vollen
Kraft und Thaͤtigkeit war, hatte er nicht noͤthig gehabt,
um ſein Unterkommen beſorgt zu ſein, jetzt machten
ihn tuͤchtigere Arbeiter ſeinem Meiſter entbehrlich. Der
Mann war nicht hart gegen ihn geweſen. Er hatte
Schenk von fruͤher als einen brauchbaren, ordentlichen
und willigen Arbeiter ſchaͤtzen gelernt und wollte ihn
wegen ſeines Ungluͤckes nicht von ſich ſtoßen. So lange
er noch die Hoffnung hatte, daß der ſchwache Arm des
Geſellen ſich an die Arbeit gewoͤhnen wuͤrde, hatte er
Nachſicht und Geduld mit ihm gehabt. Als ſich jedoch
dieſe Hoffnung verlor, vermochte er nichts mehr fuͤr
Schenks Zukunft zu thun. Er ſtellte ihn in die zweite
Klaſſe der Arbeiter, gab ihm nur geringere Arbeit,
welche weniger Sorgfalt und Kraft erforderte, und be¬
ſchraͤnkte demgemaͤß ſeinen fruͤhern Lohn. Schenk ver¬
lor dabei die Luſt und Liebe zur Arbeit, denn er fuͤhlte
ſich unverſchuldeter Weiſe gedruͤckt. Der Meiſter machte
ihm jetzt zum erſtenmal Vorwuͤrfe wegen Nachlaͤſſigkeit
und wies ihn zu groͤßerem Eifer an. Allein Schenk
war uͤberhaupt nicht mehr der alte. Seine Lage hatte
ihn finſter und muͤrriſch gemacht, und die Ermahnun¬
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