An diesen Mann wendete sich Arthur zuerst mit der Bitte, seinen Vater auf einige Zeit zu der sterbenden Mutter zu lassen. W. war ein großer hagerer Mann mit einem langen, scharf markirten Gesicht. In seinen Zügen lag eine todtenähnliche kalte Starrheit, welche durch die graue Gesichtsfarbe, die seltsamen Falten um Augen und Mund und den fast gläsernen Blick noch erhöht wurde. Als ihm Arthur sein Anliegen vorbrachte, betrachtete er ihn mit seinem eisigen glanzlosen Blick, daß dem jungen Mann fast vor ihm graute, und sagte ruhig und ohne Ausdruck, daß er dem Gefangenen eine solche Vergünstigung während der Untersuchung nicht gestatten könne. Umsonst bat nun Arthur, daß man den Vater wenigstens auf kurze Stunden zu der Kranken lassen und jedesmal unter Bewachung bis ins Haus und wie¬ der zurück geleiten möge. Der Beamte erhob sich wie verabschiedend von seinem Stuhl und antwortete mit der¬ selben langsamen Eintönigkeit, daß er das weder gestatten könne noch wolle.
Arthur fühlte unter dem kalten, starr auf ihm ru¬ henden Blick einen gährenden Zorn in sich wach werden, aber der Gedanke an seine Mutter bewältigte ihn wieder,
Das Unvermeidliche.
An dieſen Mann wendete ſich Arthur zuerſt mit der Bitte, ſeinen Vater auf einige Zeit zu der ſterbenden Mutter zu laſſen. W. war ein großer hagerer Mann mit einem langen, ſcharf markirten Geſicht. In ſeinen Zuͤgen lag eine todtenaͤhnliche kalte Starrheit, welche durch die graue Geſichtsfarbe, die ſeltſamen Falten um Augen und Mund und den faſt glaͤſernen Blick noch erhoͤht wurde. Als ihm Arthur ſein Anliegen vorbrachte, betrachtete er ihn mit ſeinem eiſigen glanzloſen Blick, daß dem jungen Mann faſt vor ihm graute, und ſagte ruhig und ohne Ausdruck, daß er dem Gefangenen eine ſolche Verguͤnſtigung waͤhrend der Unterſuchung nicht geſtatten koͤnne. Umſonſt bat nun Arthur, daß man den Vater wenigſtens auf kurze Stunden zu der Kranken laſſen und jedesmal unter Bewachung bis ins Haus und wie¬ der zuruͤck geleiten moͤge. Der Beamte erhob ſich wie verabſchiedend von ſeinem Stuhl und antwortete mit der¬ ſelben langſamen Eintoͤnigkeit, daß er das weder geſtatten koͤnne noch wolle.
Arthur fuͤhlte unter dem kalten, ſtarr auf ihm ru¬ henden Blick einen gaͤhrenden Zorn in ſich wach werden, aber der Gedanke an ſeine Mutter bewaͤltigte ihn wieder,
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Das Unvermeidliche.
An dieſen Mann wendete ſich Arthur zuerſt mit der
Bitte, ſeinen Vater auf einige Zeit zu der ſterbenden
Mutter zu laſſen. W. war ein großer hagerer Mann
mit einem langen, ſcharf markirten Geſicht. In ſeinen
Zuͤgen lag eine todtenaͤhnliche kalte Starrheit, welche
durch die graue Geſichtsfarbe, die ſeltſamen Falten um
Augen und Mund und den faſt glaͤſernen Blick noch
erhoͤht wurde. Als ihm Arthur ſein Anliegen vorbrachte,
betrachtete er ihn mit ſeinem eiſigen glanzloſen Blick, daß
dem jungen Mann faſt vor ihm graute, und ſagte ruhig
und ohne Ausdruck, daß er dem Gefangenen eine ſolche
Verguͤnſtigung waͤhrend der Unterſuchung nicht geſtatten
koͤnne. Umſonſt bat nun Arthur, daß man den Vater
wenigſtens auf kurze Stunden zu der Kranken laſſen
und jedesmal unter Bewachung bis ins Haus und wie¬
der zuruͤck geleiten moͤge. Der Beamte erhob ſich wie
verabſchiedend von ſeinem Stuhl und antwortete mit der¬
ſelben langſamen Eintoͤnigkeit, daß er das weder geſtatten
koͤnne noch wolle.
Arthur fuͤhlte unter dem kalten, ſtarr auf ihm ru¬
henden Blick einen gaͤhrenden Zorn in ſich wach werden,
aber der Gedanke an ſeine Mutter bewaͤltigte ihn wieder,
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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/179>, abgerufen am 07.07.2024.
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