jedem Gericht zurückgewiesen worden sein. Sein Rechts¬ weg ist der der Beschwerde an die vorgesetzte Behörde des veranlassenden Beamten --"
"Die alsdann die Beschwerde dem Angeklagten selbst zustellt, damit er sage, ob sich die Sache auch ganz so verhalte," rief der Arzt lachend, "und das Resultat ist bei der natürlichen, unpartheiischen Darstellung des Be¬ klagten, dem seine Vorgesetzten ja vollen Glauben schen¬ ken, leicht vorauszusehen!" --
"Da in unserm Falle eine bloße Verwechselung vor¬ lag," fuhr der Kriminalrath fort, "indem der Gensd'arme den Schneider für den entlaufenen Schuldigen hielt, so zweifle ich allerdings nicht, daß der Schneider, wenn er sich hätte verhaften lassen, mit einer Beschwerde gar nichts, auch nicht einen Verweis an den Gensd'armen erreicht haben würde. Hätte der Gensd'arme den Hand¬ werker bei einem persönlichen Zusammentreffen und nicht bei Ausübung seines Amtes verletzt, so hätte dem Hand¬ werker der ordentliche Rechtsweg gegen ihn als Privat¬ beleidiger offen gestanden. Hier aber schützt denselben seine amtliche Funktion." --
"Eine schöne Unterscheidung!" bemerkte der neben ihm sitzende rheinische Maler.
Die Rechtsfrage.
jedem Gericht zuruͤckgewieſen worden ſein. Sein Rechts¬ weg iſt der der Beſchwerde an die vorgeſetzte Behoͤrde des veranlaſſenden Beamten —“
„Die alsdann die Beſchwerde dem Angeklagten ſelbſt zuſtellt, damit er ſage, ob ſich die Sache auch ganz ſo verhalte,“ rief der Arzt lachend, „und das Reſultat iſt bei der natuͤrlichen, unpartheiiſchen Darſtellung des Be¬ klagten, dem ſeine Vorgeſetzten ja vollen Glauben ſchen¬ ken, leicht vorauszuſehen!“ —
„Da in unſerm Falle eine bloße Verwechſelung vor¬ lag,“ fuhr der Kriminalrath fort, „indem der Gensd'arme den Schneider fuͤr den entlaufenen Schuldigen hielt, ſo zweifle ich allerdings nicht, daß der Schneider, wenn er ſich haͤtte verhaften laſſen, mit einer Beſchwerde gar nichts, auch nicht einen Verweis an den Gensd’armen erreicht haben wuͤrde. Haͤtte der Gensd'arme den Hand¬ werker bei einem perſoͤnlichen Zuſammentreffen und nicht bei Ausuͤbung ſeines Amtes verletzt, ſo haͤtte dem Hand¬ werker der ordentliche Rechtsweg gegen ihn als Privat¬ beleidiger offen geſtanden. Hier aber ſchuͤtzt denſelben ſeine amtliche Funktion.“ —
„Eine ſchoͤne Unterſcheidung!“ bemerkte der neben ihm ſitzende rheiniſche Maler.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0118"n="104"/><fwplace="top"type="header">Die Rechtsfrage.<lb/></fw>jedem Gericht zuruͤckgewieſen worden ſein. Sein Rechts¬<lb/>
weg iſt der der Beſchwerde an die vorgeſetzte Behoͤrde des<lb/>
veranlaſſenden Beamten —“</p><lb/><p>„Die alsdann die Beſchwerde dem Angeklagten ſelbſt<lb/>
zuſtellt, damit er ſage, ob ſich die Sache auch ganz ſo<lb/>
verhalte,“ rief der Arzt lachend, „und das Reſultat iſt<lb/>
bei der natuͤrlichen, unpartheiiſchen Darſtellung des Be¬<lb/>
klagten, dem ſeine Vorgeſetzten ja vollen Glauben ſchen¬<lb/>
ken, leicht vorauszuſehen!“—</p><lb/><p>„Da in unſerm Falle eine bloße Verwechſelung vor¬<lb/>
lag,“ fuhr der Kriminalrath fort, „indem der Gensd'arme<lb/>
den Schneider fuͤr den entlaufenen Schuldigen hielt, ſo<lb/>
zweifle ich allerdings nicht, daß der Schneider, wenn er<lb/>ſich haͤtte verhaften laſſen, mit einer Beſchwerde gar<lb/>
nichts, auch nicht einen Verweis an den Gensd’armen<lb/>
erreicht haben wuͤrde. Haͤtte der Gensd'arme den Hand¬<lb/>
werker bei einem perſoͤnlichen Zuſammentreffen und nicht<lb/>
bei Ausuͤbung ſeines Amtes verletzt, ſo haͤtte dem Hand¬<lb/>
werker der ordentliche Rechtsweg gegen ihn als Privat¬<lb/>
beleidiger offen geſtanden. Hier aber ſchuͤtzt denſelben ſeine<lb/>
amtliche Funktion.“—</p><lb/><p>„Eine ſchoͤne Unterſcheidung!“ bemerkte der neben<lb/>
ihm ſitzende rheiniſche Maler.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[104/0118]
Die Rechtsfrage.
jedem Gericht zuruͤckgewieſen worden ſein. Sein Rechts¬
weg iſt der der Beſchwerde an die vorgeſetzte Behoͤrde des
veranlaſſenden Beamten —“
„Die alsdann die Beſchwerde dem Angeklagten ſelbſt
zuſtellt, damit er ſage, ob ſich die Sache auch ganz ſo
verhalte,“ rief der Arzt lachend, „und das Reſultat iſt
bei der natuͤrlichen, unpartheiiſchen Darſtellung des Be¬
klagten, dem ſeine Vorgeſetzten ja vollen Glauben ſchen¬
ken, leicht vorauszuſehen!“ —
„Da in unſerm Falle eine bloße Verwechſelung vor¬
lag,“ fuhr der Kriminalrath fort, „indem der Gensd'arme
den Schneider fuͤr den entlaufenen Schuldigen hielt, ſo
zweifle ich allerdings nicht, daß der Schneider, wenn er
ſich haͤtte verhaften laſſen, mit einer Beſchwerde gar
nichts, auch nicht einen Verweis an den Gensd’armen
erreicht haben wuͤrde. Haͤtte der Gensd'arme den Hand¬
werker bei einem perſoͤnlichen Zuſammentreffen und nicht
bei Ausuͤbung ſeines Amtes verletzt, ſo haͤtte dem Hand¬
werker der ordentliche Rechtsweg gegen ihn als Privat¬
beleidiger offen geſtanden. Hier aber ſchuͤtzt denſelben ſeine
amtliche Funktion.“ —
„Eine ſchoͤne Unterſcheidung!“ bemerkte der neben
ihm ſitzende rheiniſche Maler.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/118>, abgerufen am 30.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.