Kraft eines gewissen Glaubens, eines fremden uns angerechneten Verdiensts, von der Entbehr- lichkeit, Schädlichkeit sogar der guten Werke; die vermeynte Leichtigkeit auch für den verworfensten Menschen durch Beobachtung gewisser religiösen Cere- monien und die an Gottes statt erhaltene Sünden- vergebung, der ewigen Seeligkeit und des Wohlge- fallens der Gottheit unendlich versicherter zu werden, als den tugendhaftesten Heyden es möglich war, de- nen diese sogenannte Gnadenmittel abgiengen; die noch größere Leichtigkeit in der zahlreichsten christli- chen Kirche, durch erkauften Ablaß allen Folgen des Lasters, auch selbst noch des künftig zu begehen- den, sicher auszuweichen: -- diese Lehren haben allerdings die sonst so natürlichen Begriffe von Mo- ralität und Glückseeligkeit sehr verwirret; haben oft Menschen bis zu einem unglaublichen Grade von Verderbtheit geleitet, sie zu Lastern gereitzt, weil sie die Mittel sich von ihnen zu reinigen noch, ehe sie begangen waren, darboten; haben, so undenkbar es scheinen möchte, sogar in protestantische Erbau- ungsbücher den Gedanken gebracht, "daß man um "ein wahres Kind Gottes zu seyn, zuvor recht "gottlos seyn müsse;" ja sie haben die mörderische Hand der Verbrecher geleitet, die sich selbst der Ge-
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Kraft eines gewiſſen Glaubens, eines fremden uns angerechneten Verdienſts, von der Entbehr- lichkeit, Schaͤdlichkeit ſogar der guten Werke; die vermeynte Leichtigkeit auch fuͤr den verworfenſten Menſchen durch Beobachtung gewiſſer religioͤſen Cere- monien und die an Gottes ſtatt erhaltene Suͤnden- vergebung, der ewigen Seeligkeit und des Wohlge- fallens der Gottheit unendlich verſicherter zu werden, als den tugendhafteſten Heyden es moͤglich war, de- nen dieſe ſogenannte Gnadenmittel abgiengen; die noch groͤßere Leichtigkeit in der zahlreichſten chriſtli- chen Kirche, durch erkauften Ablaß allen Folgen des Laſters, auch ſelbſt noch des kuͤnftig zu begehen- den, ſicher auszuweichen: — dieſe Lehren haben allerdings die ſonſt ſo natuͤrlichen Begriffe von Mo- ralitaͤt und Gluͤckſeeligkeit ſehr verwirret; haben oft Menſchen bis zu einem unglaublichen Grade von Verderbtheit geleitet, ſie zu Laſtern gereitzt, weil ſie die Mittel ſich von ihnen zu reinigen noch, ehe ſie begangen waren, darboten; haben, ſo undenkbar es ſcheinen moͤchte, ſogar in proteſtantiſche Erbau- ungsbuͤcher den Gedanken gebracht, „daß man um „ein wahres Kind Gottes zu ſeyn, zuvor recht „gottlos ſeyn muͤſſe;“ ja ſie haben die moͤrderiſche Hand der Verbrecher geleitet, die ſich ſelbſt der Ge-
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Kraft eines gewiſſen Glaubens, eines fremden
uns angerechneten Verdienſts, von der Entbehr-
lichkeit, Schaͤdlichkeit ſogar der guten Werke;
die vermeynte Leichtigkeit auch fuͤr den verworfenſten
Menſchen durch Beobachtung gewiſſer religioͤſen Cere-
monien und die an Gottes ſtatt erhaltene Suͤnden-
vergebung, der ewigen Seeligkeit und des Wohlge-
fallens der Gottheit unendlich verſicherter zu werden,
als den tugendhafteſten Heyden es moͤglich war, de-
nen dieſe ſogenannte Gnadenmittel abgiengen; die
noch groͤßere Leichtigkeit in der zahlreichſten chriſtli-
chen Kirche, durch erkauften Ablaß allen Folgen
des Laſters, auch ſelbſt noch des kuͤnftig zu begehen-
den, ſicher auszuweichen: — dieſe Lehren haben
allerdings die ſonſt ſo natuͤrlichen Begriffe von Mo-
ralitaͤt und Gluͤckſeeligkeit ſehr verwirret; haben oft
Menſchen bis zu einem unglaublichen Grade von
Verderbtheit geleitet, ſie zu Laſtern gereitzt, weil
ſie die Mittel ſich von ihnen zu reinigen noch, ehe
ſie begangen waren, darboten; haben, ſo undenkbar
es ſcheinen moͤchte, ſogar in proteſtantiſche Erbau-
ungsbuͤcher den Gedanken gebracht, „daß man um
„ein wahres Kind Gottes zu ſeyn, zuvor recht
„gottlos ſeyn muͤſſe;“ ja ſie haben die moͤrderiſche
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/335>, abgerufen am 28.11.2024.
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