Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Nenschen in ihren Beschäftigungen und in der Be-
sergung ihres Glücks meistens sich selbst zu überlas-
sen und die natürlichen Rechte so frey und unbeschränkt,
als nur irgend möglich ist, zu erhalten. Auch zu große
Freyheit kann selten schaden, zu wenige schadet ge-
wiß. Aber einige Einschränkung dieser Freyheit ist
in unsern bürgerlichen Gesellschaften nun einmal
nothwendig, und um ein Uebel wieder gut zu ma-
chen, das seit so vielen Jahrhunderten sich gebildet
hat, sind auch zuweilen gewaltsamere Mittel nicht
ganz entbehrlich. Was unsere Kunst nun einmal
verwirrt hat, kann nicht bloß durch Natur wieder
zurechte gebracht werden. Besonders ist dieses bey
lange eingewurzelten Gewohnheiten und Vorurthei-
len der Fall, wie die, von denen hier die Rede ist.
Ich bin überzeugt, daß diese in Absicht der Juden
bey uns und ihnen selbst in der Folge gewiß ver-
schwinden werden, und daß sie, wenn man ihnen
nur bürgerliche Rechte ertheilt, in wenigen Genera-
tionen sich auch derselben vollkommen würdig machen
und zu Handwerken und allen Arten der Gewerbe so
tüchtig wie andere seyn werden. Nur zuerst wird
der unnatürliche Zustand, in welchem die Nation
sich itzt befindet, durch einige nicht ganz natürliche
Mittel unterbrochen werden müssen. Ist dieses ein-

mal
T 4

Nenſchen in ihren Beſchaͤftigungen und in der Be-
ſergung ihres Gluͤcks meiſtens ſich ſelbſt zu uͤberlaſ-
ſen und die natuͤrlichen Rechte ſo frey und unbeſchraͤnkt,
als nur irgend moͤglich iſt, zu erhalten. Auch zu große
Freyheit kann ſelten ſchaden, zu wenige ſchadet ge-
wiß. Aber einige Einſchraͤnkung dieſer Freyheit iſt
in unſern buͤrgerlichen Geſellſchaften nun einmal
nothwendig, und um ein Uebel wieder gut zu ma-
chen, das ſeit ſo vielen Jahrhunderten ſich gebildet
hat, ſind auch zuweilen gewaltſamere Mittel nicht
ganz entbehrlich. Was unſere Kunſt nun einmal
verwirrt hat, kann nicht bloß durch Natur wieder
zurechte gebracht werden. Beſonders iſt dieſes bey
lange eingewurzelten Gewohnheiten und Vorurthei-
len der Fall, wie die, von denen hier die Rede iſt.
Ich bin uͤberzeugt, daß dieſe in Abſicht der Juden
bey uns und ihnen ſelbſt in der Folge gewiß ver-
ſchwinden werden, und daß ſie, wenn man ihnen
nur buͤrgerliche Rechte ertheilt, in wenigen Genera-
tionen ſich auch derſelben vollkommen wuͤrdig machen
und zu Handwerken und allen Arten der Gewerbe ſo
tuͤchtig wie andere ſeyn werden. Nur zuerſt wird
der unnatuͤrliche Zuſtand, in welchem die Nation
ſich itzt befindet, durch einige nicht ganz natuͤrliche
Mittel unterbrochen werden muͤſſen. Iſt dieſes ein-

mal
T 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0303" n="295"/>
Nen&#x017F;chen in ihren Be&#x017F;cha&#x0364;ftigungen und in der Be-<lb/>
&#x017F;ergung ihres Glu&#x0364;cks mei&#x017F;tens &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu u&#x0364;berla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en und die natu&#x0364;rlichen Rechte &#x017F;o frey und unbe&#x017F;chra&#x0364;nkt,<lb/>
als nur irgend mo&#x0364;glich i&#x017F;t, zu erhalten. Auch zu große<lb/>
Freyheit kann &#x017F;elten &#x017F;chaden, zu wenige &#x017F;chadet ge-<lb/>
wiß. Aber einige Ein&#x017F;chra&#x0364;nkung die&#x017F;er Freyheit i&#x017F;t<lb/>
in un&#x017F;ern bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften nun einmal<lb/>
nothwendig, und um ein Uebel wieder gut zu ma-<lb/>
chen, das &#x017F;eit &#x017F;o vielen Jahrhunderten &#x017F;ich gebildet<lb/>
hat, &#x017F;ind auch zuweilen gewalt&#x017F;amere Mittel nicht<lb/>
ganz entbehrlich. Was un&#x017F;ere Kun&#x017F;t nun einmal<lb/>
verwirrt hat, kann nicht bloß durch Natur wieder<lb/>
zurechte gebracht werden. Be&#x017F;onders i&#x017F;t die&#x017F;es bey<lb/>
lange eingewurzelten Gewohnheiten und Vorurthei-<lb/>
len der Fall, wie die, von denen hier die Rede i&#x017F;t.<lb/>
Ich bin u&#x0364;berzeugt, daß die&#x017F;e in Ab&#x017F;icht der Juden<lb/>
bey uns und ihnen &#x017F;elb&#x017F;t in der Folge gewiß ver-<lb/>
&#x017F;chwinden werden, und daß &#x017F;ie, wenn man ihnen<lb/>
nur bu&#x0364;rgerliche Rechte ertheilt, in wenigen Genera-<lb/>
tionen &#x017F;ich auch der&#x017F;elben vollkommen wu&#x0364;rdig machen<lb/>
und zu Handwerken und allen Arten der Gewerbe &#x017F;o<lb/>
tu&#x0364;chtig wie andere &#x017F;eyn werden. Nur zuer&#x017F;t wird<lb/>
der unnatu&#x0364;rliche Zu&#x017F;tand, in welchem die Nation<lb/>
&#x017F;ich itzt befindet, durch einige nicht ganz natu&#x0364;rliche<lb/>
Mittel unterbrochen werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. I&#x017F;t die&#x017F;es ein-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 4</fw><fw place="bottom" type="catch">mal</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0303] Nenſchen in ihren Beſchaͤftigungen und in der Be- ſergung ihres Gluͤcks meiſtens ſich ſelbſt zu uͤberlaſ- ſen und die natuͤrlichen Rechte ſo frey und unbeſchraͤnkt, als nur irgend moͤglich iſt, zu erhalten. Auch zu große Freyheit kann ſelten ſchaden, zu wenige ſchadet ge- wiß. Aber einige Einſchraͤnkung dieſer Freyheit iſt in unſern buͤrgerlichen Geſellſchaften nun einmal nothwendig, und um ein Uebel wieder gut zu ma- chen, das ſeit ſo vielen Jahrhunderten ſich gebildet hat, ſind auch zuweilen gewaltſamere Mittel nicht ganz entbehrlich. Was unſere Kunſt nun einmal verwirrt hat, kann nicht bloß durch Natur wieder zurechte gebracht werden. Beſonders iſt dieſes bey lange eingewurzelten Gewohnheiten und Vorurthei- len der Fall, wie die, von denen hier die Rede iſt. Ich bin uͤberzeugt, daß dieſe in Abſicht der Juden bey uns und ihnen ſelbſt in der Folge gewiß ver- ſchwinden werden, und daß ſie, wenn man ihnen nur buͤrgerliche Rechte ertheilt, in wenigen Genera- tionen ſich auch derſelben vollkommen wuͤrdig machen und zu Handwerken und allen Arten der Gewerbe ſo tuͤchtig wie andere ſeyn werden. Nur zuerſt wird der unnatuͤrliche Zuſtand, in welchem die Nation ſich itzt befindet, durch einige nicht ganz natuͤrliche Mittel unterbrochen werden muͤſſen. Iſt dieſes ein- mal T 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/303
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/303>, abgerufen am 24.11.2024.