sere städtische Zunftverfassung herschreibt, von Leib- eigenen getrieben wurden; wenn sie Bader, Wund- ärzte und andere Beschäftigungen theils aus gleichem Grunde, theils auch, weil sie im zehnten Jahrhun- dert noch nicht in Deutschland waren, ausschließen; wenn sie endlich mit gewissen Verrichtungen, die auf Befehl der Obrigkeit und zum gemeinen Nutzen ge- schehn, Schande verbinden, obgleich der Staat, fals sich Niemand dazu fände mit Geld und Ehre, die Gerichtsknechte, Bettelvögte, Todtengräber, Nachtwächter und Nachrichter würde bezahlen mus- sen. Mag immerhin, ehemals das Wort Unehre einen ganz andern Begriff, als itzt, gehabt und nur die Ausschliessung vom Heerbann angedeutet; mag immer jeder Stand seine nur ihm gehörige Ehre ge- habt haben, von der er freylich alle, welche ausser ihm waren, ausschloß, ohne ihnen deshalb Unrecht zu thun: es kömmt hier nicht auf den ehmaligen Sinn jener Worte, sondern auf die Bedeutung an, welche unser itziger Sprachgebrauch ihnen untergelegt hat; nicht auf die Verfassung, in denen jene Aus- schliessungen passend und nothwendig seyn mochten, sondern auf die unsrigen, iu denen sie schädlich sind. Ich kann daher nicht, wie Hr. Möser, die Verfasser des Reichsschlusses von 1731, beschuldigen, daß sie
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ſere ſtaͤdtiſche Zunftverfaſſung herſchreibt, von Leib- eigenen getrieben wurden; wenn ſie Bader, Wund- aͤrzte und andere Beſchaͤftigungen theils aus gleichem Grunde, theils auch, weil ſie im zehnten Jahrhun- dert noch nicht in Deutſchland waren, ausſchließen; wenn ſie endlich mit gewiſſen Verrichtungen, die auf Befehl der Obrigkeit und zum gemeinen Nutzen ge- ſchehn, Schande verbinden, obgleich der Staat, fals ſich Niemand dazu faͤnde mit Geld und Ehre, die Gerichtsknechte, Bettelvoͤgte, Todtengraͤber, Nachtwaͤchter und Nachrichter wuͤrde bezahlen muſ- ſen. Mag immerhin, ehemals das Wort Unehre einen ganz andern Begriff, als itzt, gehabt und nur die Ausſchlieſſung vom Heerbann angedeutet; mag immer jeder Stand ſeine nur ihm gehoͤrige Ehre ge- habt haben, von der er freylich alle, welche auſſer ihm waren, ausſchloß, ohne ihnen deshalb Unrecht zu thun: es koͤmmt hier nicht auf den ehmaligen Sinn jener Worte, ſondern auf die Bedeutung an, welche unſer itziger Sprachgebrauch ihnen untergelegt hat; nicht auf die Verfaſſung, in denen jene Aus- ſchlieſſungen paſſend und nothwendig ſeyn mochten, ſondern auf die unſrigen, iu denen ſie ſchaͤdlich ſind. Ich kann daher nicht, wie Hr. Moͤſer, die Verfaſſer des Reichsſchluſſes von 1731, beſchuldigen, daß ſie
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ſere ſtaͤdtiſche Zunftverfaſſung herſchreibt, von Leib-
eigenen getrieben wurden; wenn ſie Bader, Wund-
aͤrzte und andere Beſchaͤftigungen theils aus gleichem
Grunde, theils auch, weil ſie im zehnten Jahrhun-
dert noch nicht in Deutſchland waren, ausſchließen;
wenn ſie endlich mit gewiſſen Verrichtungen, die auf
Befehl der Obrigkeit und zum gemeinen Nutzen ge-
ſchehn, Schande verbinden, obgleich der Staat,
fals ſich Niemand dazu faͤnde mit Geld und Ehre,
die Gerichtsknechte, Bettelvoͤgte, Todtengraͤber,
Nachtwaͤchter und Nachrichter wuͤrde bezahlen muſ-
ſen. Mag immerhin, ehemals das Wort Unehre
einen ganz andern Begriff, als itzt, gehabt und nur
die Ausſchlieſſung vom Heerbann angedeutet; mag
immer jeder Stand ſeine nur ihm gehoͤrige Ehre ge-
habt haben, von der er freylich alle, welche auſſer
ihm waren, ausſchloß, ohne ihnen deshalb Unrecht
zu thun: es koͤmmt hier nicht auf den ehmaligen
Sinn jener Worte, ſondern auf die Bedeutung an,
welche unſer itziger Sprachgebrauch ihnen untergelegt
hat; nicht auf die Verfaſſung, in denen jene Aus-
ſchlieſſungen paſſend und nothwendig ſeyn mochten,
ſondern auf die unſrigen, iu denen ſie ſchaͤdlich ſind.
Ich kann daher nicht, wie Hr. Moͤſer, die Verfaſſer
des Reichsſchluſſes von 1731, beſchuldigen, daß ſie
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/287>, abgerufen am 26.11.2024.
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