sten und noch immer in gewissem Maaße fortdauren- de, diese, daß der Grundsatz von einem allein seelig- machenden Glauben und einer göttlich befohl- nen Verfolgung der Andersdenkenden, alle wah- ren und natürlichen Begriffe von den Verhältnissen der bürgerlichen zu der religiösen Gesellschaft und von den Rechten der Menschen in Absicht ihrer Meynun- gen, ganz verdrängt und verwirrt und uns dahin ge- bracht hat, daß wir mit befremdenden Erstaunen es ansehn, wenn endlich wider die Staaten zu dem Ge- fühl ihrer Rechte erwachen und sie gegen die grau ge- wordenen Usurpationen geltend machen wollen. Und noch wirken diese Vorurtheile zu stark, als daß wir Itztlebende hoffen dürften, noch den allgemein ver- breiteten Glanz des Tages zu sehen, da nur zu oft auch in unserer neuesten Periode, eine täuschende Morgenröthe bald wieder in traurige Abenddämme- rung sich verlohren hat. Indeß am Ende muß doch das Licht durchdringen, und je mehr das wahre po- litische Interesse verstanden und beherzigt wird, desto mehr muß auch das religiöse System ihm unterge- ordnet und nach ihm modificirt werden, welches dann gewiß auch der größte Vortheil für die wahre und ächte Religion seyn wird.
Und
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ſten und noch immer in gewiſſem Maaße fortdauren- de, dieſe, daß der Grundſatz von einem allein ſeelig- machenden Glauben und einer goͤttlich befohl- nen Verfolgung der Andersdenkenden, alle wah- ren und natuͤrlichen Begriffe von den Verhaͤltniſſen der buͤrgerlichen zu der religioͤſen Geſellſchaft und von den Rechten der Menſchen in Abſicht ihrer Meynun- gen, ganz verdraͤngt und verwirrt und uns dahin ge- bracht hat, daß wir mit befremdenden Erſtaunen es anſehn, wenn endlich wider die Staaten zu dem Ge- fuͤhl ihrer Rechte erwachen und ſie gegen die grau ge- wordenen Uſurpationen geltend machen wollen. Und noch wirken dieſe Vorurtheile zu ſtark, als daß wir Itztlebende hoffen duͤrften, noch den allgemein ver- breiteten Glanz des Tages zu ſehen, da nur zu oft auch in unſerer neueſten Periode, eine taͤuſchende Morgenroͤthe bald wieder in traurige Abenddaͤmme- rung ſich verlohren hat. Indeß am Ende muß doch das Licht durchdringen, und je mehr das wahre po- litiſche Intereſſe verſtanden und beherzigt wird, deſto mehr muß auch das religioͤſe Syſtem ihm unterge- ordnet und nach ihm modificirt werden, welches dann gewiß auch der groͤßte Vortheil fuͤr die wahre und aͤchte Religion ſeyn wird.
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ſten und noch immer in gewiſſem Maaße fortdauren-
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nen Verfolgung der Andersdenkenden, alle wah-
ren und natuͤrlichen Begriffe von den Verhaͤltniſſen
der buͤrgerlichen zu der religioͤſen Geſellſchaft und von
den Rechten der Menſchen in Abſicht ihrer Meynun-
gen, ganz verdraͤngt und verwirrt und uns dahin ge-
bracht hat, daß wir mit befremdenden Erſtaunen es
anſehn, wenn endlich wider die Staaten zu dem Ge-
fuͤhl ihrer Rechte erwachen und ſie gegen die grau ge-
wordenen Uſurpationen geltend machen wollen. Und
noch wirken dieſe Vorurtheile zu ſtark, als daß wir
Itztlebende hoffen duͤrften, noch den allgemein ver-
breiteten Glanz des Tages zu ſehen, da nur zu oft
auch in unſerer neueſten Periode, eine taͤuſchende
Morgenroͤthe bald wieder in traurige Abenddaͤmme-
rung ſich verlohren hat. Indeß am Ende muß doch
das Licht durchdringen, und je mehr das wahre po-
litiſche Intereſſe verſtanden und beherzigt wird, deſto
mehr muß auch das religioͤſe Syſtem ihm unterge-
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/221>, abgerufen am 21.11.2024.
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