Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Merkwürdig ist es, daß gerade eben die Vor-
würfe, welche man itzt den Juden macht, auch von
den Gegnern der Christen, so lange diese noch nicht
die größere Zahl ausmachten, gebraucht wurden,
um zu beweisen, daß das Christenthum mit dem
Zwecke und Wohl des Staats unverträglich sey. So
wenig auch noch diese Schriften der Gegner unver-
fälscht erhalten sind, so finden wir doch selbst bey den
ältesten und angesehensten Lehrern der ersten Christen
und in den Vertheidigungsschriften gegen jene Geg-
ner Beweise genug, daß diese Vorwürfe nicht unge-
gründet waren. Man erlaube mir hievon nur ei-
nige Beyspiele anzuführen, welche für die meisten
Leser immer die stärkste Beweiskraft haben, und
am fähigsten sind, ihnen allgemeine Wahrheiten
deutlicher aufzuhellen.

Ist irgend ein religiöser Grundsatz sowohl dem
Interesse der Menschheit überhaupt, als besonders der
bürgerlichen Gesellschaft gerade zuwider, so ist es un-
streitig der, wenn irgend eine Parthey von der Wahr-
heit ihrer Meynungen sich so fest überzeugt hält, daß
sie nicht nur deshalb alle Andersdenkende mit Ver-
achtung und Abneigung betrachtet, sondern dieselben
sogar verdammt, und die Glückseeligkeit des künfti-
gen Lebens, das Wohlgefallen der Gottheit ausschließ-

lich

Merkwuͤrdig iſt es, daß gerade eben die Vor-
wuͤrfe, welche man itzt den Juden macht, auch von
den Gegnern der Chriſten, ſo lange dieſe noch nicht
die groͤßere Zahl ausmachten, gebraucht wurden,
um zu beweiſen, daß das Chriſtenthum mit dem
Zwecke und Wohl des Staats unvertraͤglich ſey. So
wenig auch noch dieſe Schriften der Gegner unver-
faͤlſcht erhalten ſind, ſo finden wir doch ſelbſt bey den
aͤlteſten und angeſehenſten Lehrern der erſten Chriſten
und in den Vertheidigungsſchriften gegen jene Geg-
ner Beweiſe genug, daß dieſe Vorwuͤrfe nicht unge-
gruͤndet waren. Man erlaube mir hievon nur ei-
nige Beyſpiele anzufuͤhren, welche fuͤr die meiſten
Leſer immer die ſtaͤrkſte Beweiskraft haben, und
am faͤhigſten ſind, ihnen allgemeine Wahrheiten
deutlicher aufzuhellen.

Iſt irgend ein religioͤſer Grundſatz ſowohl dem
Intereſſe der Menſchheit uͤberhaupt, als beſonders der
buͤrgerlichen Geſellſchaft gerade zuwider, ſo iſt es un-
ſtreitig der, wenn irgend eine Parthey von der Wahr-
heit ihrer Meynungen ſich ſo feſt uͤberzeugt haͤlt, daß
ſie nicht nur deshalb alle Andersdenkende mit Ver-
achtung und Abneigung betrachtet, ſondern dieſelben
ſogar verdammt, und die Gluͤckſeeligkeit des kuͤnfti-
gen Lebens, das Wohlgefallen der Gottheit ausſchließ-

lich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0197" n="189"/>
          <p>Merkwu&#x0364;rdig i&#x017F;t es, daß gerade eben die Vor-<lb/>
wu&#x0364;rfe, welche man itzt den Juden macht, auch von<lb/>
den Gegnern der Chri&#x017F;ten, &#x017F;o lange die&#x017F;e noch nicht<lb/>
die gro&#x0364;ßere Zahl ausmachten, gebraucht wurden,<lb/>
um zu bewei&#x017F;en, daß das Chri&#x017F;tenthum mit dem<lb/>
Zwecke und Wohl des Staats unvertra&#x0364;glich &#x017F;ey. So<lb/>
wenig auch noch die&#x017F;e Schriften der Gegner unver-<lb/>
fa&#x0364;l&#x017F;cht erhalten &#x017F;ind, &#x017F;o finden wir doch &#x017F;elb&#x017F;t bey den<lb/>
a&#x0364;lte&#x017F;ten und ange&#x017F;ehen&#x017F;ten Lehrern der er&#x017F;ten Chri&#x017F;ten<lb/>
und in den Vertheidigungs&#x017F;chriften gegen jene Geg-<lb/>
ner Bewei&#x017F;e genug, daß die&#x017F;e Vorwu&#x0364;rfe nicht unge-<lb/>
gru&#x0364;ndet waren. Man erlaube mir hievon nur ei-<lb/>
nige Bey&#x017F;piele anzufu&#x0364;hren, welche fu&#x0364;r die mei&#x017F;ten<lb/>
Le&#x017F;er immer die &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;te Beweiskraft haben, und<lb/>
am fa&#x0364;hig&#x017F;ten &#x017F;ind, ihnen allgemeine Wahrheiten<lb/>
deutlicher aufzuhellen.</p><lb/>
          <p>I&#x017F;t irgend ein religio&#x0364;&#x017F;er Grund&#x017F;atz &#x017F;owohl dem<lb/>
Intere&#x017F;&#x017F;e der Men&#x017F;chheit u&#x0364;berhaupt, als be&#x017F;onders der<lb/>
bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft gerade zuwider, &#x017F;o i&#x017F;t es un-<lb/>
&#x017F;treitig der, wenn irgend eine Parthey von der Wahr-<lb/>
heit ihrer Meynungen &#x017F;ich &#x017F;o fe&#x017F;t u&#x0364;berzeugt ha&#x0364;lt, daß<lb/>
&#x017F;ie nicht nur deshalb alle Andersdenkende mit Ver-<lb/>
achtung und Abneigung betrachtet, &#x017F;ondern die&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;ogar verdammt, und die Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit des ku&#x0364;nfti-<lb/>
gen Lebens, das Wohlgefallen der Gottheit aus&#x017F;chließ-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0197] Merkwuͤrdig iſt es, daß gerade eben die Vor- wuͤrfe, welche man itzt den Juden macht, auch von den Gegnern der Chriſten, ſo lange dieſe noch nicht die groͤßere Zahl ausmachten, gebraucht wurden, um zu beweiſen, daß das Chriſtenthum mit dem Zwecke und Wohl des Staats unvertraͤglich ſey. So wenig auch noch dieſe Schriften der Gegner unver- faͤlſcht erhalten ſind, ſo finden wir doch ſelbſt bey den aͤlteſten und angeſehenſten Lehrern der erſten Chriſten und in den Vertheidigungsſchriften gegen jene Geg- ner Beweiſe genug, daß dieſe Vorwuͤrfe nicht unge- gruͤndet waren. Man erlaube mir hievon nur ei- nige Beyſpiele anzufuͤhren, welche fuͤr die meiſten Leſer immer die ſtaͤrkſte Beweiskraft haben, und am faͤhigſten ſind, ihnen allgemeine Wahrheiten deutlicher aufzuhellen. Iſt irgend ein religioͤſer Grundſatz ſowohl dem Intereſſe der Menſchheit uͤberhaupt, als beſonders der buͤrgerlichen Geſellſchaft gerade zuwider, ſo iſt es un- ſtreitig der, wenn irgend eine Parthey von der Wahr- heit ihrer Meynungen ſich ſo feſt uͤberzeugt haͤlt, daß ſie nicht nur deshalb alle Andersdenkende mit Ver- achtung und Abneigung betrachtet, ſondern dieſelben ſogar verdammt, und die Gluͤckſeeligkeit des kuͤnfti- gen Lebens, das Wohlgefallen der Gottheit ausſchließ- lich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/197
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/197>, abgerufen am 21.11.2024.