neuen (noch weniger von einer bisher für durchaus falsch gehaltenen) Lehre sich überzeugen. Die Reli- gion der Vernunft ist auch die des Juden. Sie rein und nur aus ihrer eignen Quelle erkennen, und die Zusätze, womit sie bisher für ihn beladen war, von ihr absondern, ist also kein neuer Glaube, kein schwerer Uebergang für ihn. Er hört dann nur auf Alles zu glauben, was er bisher glaubte, aber ohne anzufangen etwas Neues zu glauben. Und hoffent- lich wird man ihm doch dieses nicht übel deuten und nicht verlangen, daß er, wenn er seinen bisherigen Irrthum verlässet, nun auch gerade so denke wie wir, durchaus das und nicht mehr noch weniger, für Wahrheit halte, als was uns nun einmal (sey es bloß durch Autorität der Erziehung und Lehrer oder nach eigener Prüfung) Wahrheit ist. Gewiß läßt sich der Fall denken und er scheint nach allen psychologi- schen Gesetzen der wahrscheinlichste, daß die Juden zwar ihre bisherige Meynung, aber darum nicht we- niger auch noch ferner eine andere, für Irrthum hal- ten können. Und sehr unbillig würde es dann doch seyn, sie gewaltsam anzuhalten, wenigstens äusser- lich so lange sich zu einer von ihnen für falsch gehal- tenen Lehre zu bekennen, bis sie von der Wahrheit einer gewissen bestimmten andern Lehre überzeugt seyn können.
Son-
neuen (noch weniger von einer bisher fuͤr durchaus falſch gehaltenen) Lehre ſich uͤberzeugen. Die Reli- gion der Vernunft iſt auch die des Juden. Sie rein und nur aus ihrer eignen Quelle erkennen, und die Zuſaͤtze, womit ſie bisher fuͤr ihn beladen war, von ihr abſondern, iſt alſo kein neuer Glaube, kein ſchwerer Uebergang fuͤr ihn. Er hoͤrt dann nur auf Alles zu glauben, was er bisher glaubte, aber ohne anzufangen etwas Neues zu glauben. Und hoffent- lich wird man ihm doch dieſes nicht uͤbel deuten und nicht verlangen, daß er, wenn er ſeinen bisherigen Irrthum verlaͤſſet, nun auch gerade ſo denke wie wir, durchaus das und nicht mehr noch weniger, fuͤr Wahrheit halte, als was uns nun einmal (ſey es bloß durch Autoritaͤt der Erziehung und Lehrer oder nach eigener Pruͤfung) Wahrheit iſt. Gewiß laͤßt ſich der Fall denken und er ſcheint nach allen pſychologi- ſchen Geſetzen der wahrſcheinlichſte, daß die Juden zwar ihre bisherige Meynung, aber darum nicht we- niger auch noch ferner eine andere, fuͤr Irrthum hal- ten koͤnnen. Und ſehr unbillig wuͤrde es dann doch ſeyn, ſie gewaltſam anzuhalten, wenigſtens aͤuſſer- lich ſo lange ſich zu einer von ihnen fuͤr falſch gehal- tenen Lehre zu bekennen, bis ſie von der Wahrheit einer gewiſſen beſtimmten andern Lehre uͤberzeugt ſeyn koͤnnen.
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neuen (noch weniger von einer bisher fuͤr durchaus
falſch gehaltenen) Lehre ſich uͤberzeugen. Die Reli-
gion der Vernunft iſt auch die des Juden. Sie rein
und nur aus ihrer eignen Quelle erkennen, und die
Zuſaͤtze, womit ſie bisher fuͤr ihn beladen war, von
ihr abſondern, iſt alſo kein neuer Glaube, kein
ſchwerer Uebergang fuͤr ihn. Er hoͤrt dann nur auf
Alles zu glauben, was er bisher glaubte, aber ohne
anzufangen etwas Neues zu glauben. Und hoffent-
lich wird man ihm doch dieſes nicht uͤbel deuten und
nicht verlangen, daß er, wenn er ſeinen bisherigen
Irrthum verlaͤſſet, nun auch gerade ſo denke wie
wir, durchaus das und nicht mehr noch weniger, fuͤr
Wahrheit halte, als was uns nun einmal (ſey es bloß
durch Autoritaͤt der Erziehung und Lehrer oder nach
eigener Pruͤfung) Wahrheit iſt. Gewiß laͤßt ſich
der Fall denken und er ſcheint nach allen pſychologi-
ſchen Geſetzen der wahrſcheinlichſte, daß die Juden
zwar ihre bisherige Meynung, aber darum nicht we-
niger auch noch ferner eine andere, fuͤr Irrthum hal-
ten koͤnnen. Und ſehr unbillig wuͤrde es dann doch
ſeyn, ſie gewaltſam anzuhalten, wenigſtens aͤuſſer-
lich ſo lange ſich zu einer von ihnen fuͤr falſch gehal-
tenen Lehre zu bekennen, bis ſie von der Wahrheit
einer gewiſſen beſtimmten andern Lehre uͤberzeugt
ſeyn koͤnnen.
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/188>, abgerufen am 21.11.2024.
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