Staat und in ein ungemischtes Geschlecht zu verel- nen, und welches itzt, nachdem dieser Staat längst zerstört ist und die Juden in alle übrige Staaten zer- streuet sind, nicht mehr paßt, unsern bürgerlichen Gesellschaften, dem europäischen Clima nicht mehr angemessen ist. Andre Vorurtheile sind aus den Spitzfindigkeiten und Grillen entstanden, mit denen die Rabbinen in spätern Zeiten das ursprünglich freyere Gesetz überladen haben. Der Scharfsinn des denkenden Theils der Nation wurde ganz auf diese Seite gezogen, weil es ihm an besserm Stoffe fehlte; und der Hebräer, einmal dem bürgerlichem Verhält- nisse gewaltsam entrückt, wurde diesem allmählig so fremde, daß seine Speculationen auf dasselbe durch- aus nicht mehr Rücksicht nehmen, vielmehr immer dahin zielten sich noch enger in seine religiöse Verbin- dung einzuschliessen und von der politischen, die ihn zuerst ausgestoßen, immer feindseeliger zu trennen.
Freylich wäre es für unsre Staten zu wün- schen, daß die Juden, so wie sie itzt sind, gar nicht da seyn möchten, das heißt mit andern Worten, daß die Regierungen schon vor vielen Jahr- hunderten gethan hätten, was ich wünsche, daß sie wenigstens itzt, ihrem Interesse gemäß, thun möch- ten. Sicher würden die Juden ihren ehemaligen
Staat
Staat und in ein ungemiſchtes Geſchlecht zu verel- nen, und welches itzt, nachdem dieſer Staat laͤngſt zerſtoͤrt iſt und die Juden in alle uͤbrige Staaten zer- ſtreuet ſind, nicht mehr paßt, unſern buͤrgerlichen Geſellſchaften, dem europaͤiſchen Clima nicht mehr angemeſſen iſt. Andre Vorurtheile ſind aus den Spitzfindigkeiten und Grillen entſtanden, mit denen die Rabbinen in ſpaͤtern Zeiten das urſpruͤnglich freyere Geſetz uͤberladen haben. Der Scharfſinn des denkenden Theils der Nation wurde ganz auf dieſe Seite gezogen, weil es ihm an beſſerm Stoffe fehlte; und der Hebraͤer, einmal dem buͤrgerlichem Verhaͤlt- niſſe gewaltſam entruͤckt, wurde dieſem allmaͤhlig ſo fremde, daß ſeine Speculationen auf daſſelbe durch- aus nicht mehr Ruͤckſicht nehmen, vielmehr immer dahin zielten ſich noch enger in ſeine religioͤſe Verbin- dung einzuſchlieſſen und von der politiſchen, die ihn zuerſt ausgeſtoßen, immer feindſeeliger zu trennen.
Freylich waͤre es fuͤr unſre Staten zu wuͤn- ſchen, daß die Juden, ſo wie ſie itzt ſind, gar nicht da ſeyn moͤchten, das heißt mit andern Worten, daß die Regierungen ſchon vor vielen Jahr- hunderten gethan haͤtten, was ich wuͤnſche, daß ſie wenigſtens itzt, ihrem Intereſſe gemaͤß, thun moͤch- ten. Sicher wuͤrden die Juden ihren ehemaligen
Staat
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Staat und in ein ungemiſchtes Geſchlecht zu verel-
nen, und welches itzt, nachdem dieſer Staat laͤngſt
zerſtoͤrt iſt und die Juden in alle uͤbrige Staaten zer-
ſtreuet ſind, nicht mehr paßt, unſern buͤrgerlichen
Geſellſchaften, dem europaͤiſchen Clima nicht mehr
angemeſſen iſt. Andre Vorurtheile ſind aus den
Spitzfindigkeiten und Grillen entſtanden, mit denen
die Rabbinen in ſpaͤtern Zeiten das urſpruͤnglich
freyere Geſetz uͤberladen haben. Der Scharfſinn des
denkenden Theils der Nation wurde ganz auf dieſe
Seite gezogen, weil es ihm an beſſerm Stoffe fehlte;
und der Hebraͤer, einmal dem buͤrgerlichem Verhaͤlt-
niſſe gewaltſam entruͤckt, wurde dieſem allmaͤhlig ſo
fremde, daß ſeine Speculationen auf daſſelbe durch-
aus nicht mehr Ruͤckſicht nehmen, vielmehr immer
dahin zielten ſich noch enger in ſeine religioͤſe Verbin-
dung einzuſchlieſſen und von der politiſchen, die ihn
zuerſt ausgeſtoßen, immer feindſeeliger zu trennen.
Freylich waͤre es fuͤr unſre Staten zu wuͤn-
ſchen, daß die Juden, ſo wie ſie itzt ſind, gar
nicht da ſeyn moͤchten, das heißt mit andern
Worten, daß die Regierungen ſchon vor vielen Jahr-
hunderten gethan haͤtten, was ich wuͤnſche, daß ſie
wenigſtens itzt, ihrem Intereſſe gemaͤß, thun moͤch-
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/184>, abgerufen am 21.11.2024.
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