sich geschickt zu seyn glaubt, die Kaufmannschaft oder bloße Krämerey zu lernen, oder auch ohne förmliche Erlernung zu treiben, der wird gewiß kein Handwerk lernen, sondern bey diesem Stande sich über die ansehnlichsten Stände der Menschen hin- ausdenken, und dieser Stand der Kaufmannschaft ist auch der Stand der Juden. Den übrigen Druck fühlen sie nicht, weil sie ihn so sehr gewohnt sind, sehn ihn vielmehr, wie die Herrnhuter und Prote- stanten in Frankreich als ein ehrenhaftes Märtyr- thum an. Sogar genießt der Jude in bürgerlichen sichtbarlichen Verhältnissen grosse Vorzüge vor den Christen. Er ist bey allen christlichen Religionsver- wandten gelitten, hat Zutritt an Höfen und in Ca- binetten, den er verliert, sobald er sich taufen läßt. Ich weiß ein Beyspiel, daß im siebenjährigen Krie- ge die Frau eines jüdischen Admodiateurs sogar an die Tafel eines grossen Prinzen gezogen wurde, wo- rüber die adelichen Damen zwar scheel sahen, aber eine christliche Kaufmannsfrau gewiß nicht gelitten hätten. Es sind ja auch Juden vom Kayser nobili- tirt worden, und unter K. Carl VII. hatte sogar ein Jude das Jus nobilitandi, indem er Adelsbriefe ver- kaufte, wo der Nahme vom Käufer ausgefüllt wur- de. Ich glaube also nicht, daß die Vornehmen und
Reichen
ſich geſchickt zu ſeyn glaubt, die Kaufmannſchaft oder bloße Kraͤmerey zu lernen, oder auch ohne foͤrmliche Erlernung zu treiben, der wird gewiß kein Handwerk lernen, ſondern bey dieſem Stande ſich uͤber die anſehnlichſten Staͤnde der Menſchen hin- ausdenken, und dieſer Stand der Kaufmannſchaft iſt auch der Stand der Juden. Den uͤbrigen Druck fuͤhlen ſie nicht, weil ſie ihn ſo ſehr gewohnt ſind, ſehn ihn vielmehr, wie die Herrnhuter und Prote- ſtanten in Frankreich als ein ehrenhaftes Maͤrtyr- thum an. Sogar genießt der Jude in buͤrgerlichen ſichtbarlichen Verhaͤltniſſen groſſe Vorzuͤge vor den Chriſten. Er iſt bey allen chriſtlichen Religionsver- wandten gelitten, hat Zutritt an Hoͤfen und in Ca- binetten, den er verliert, ſobald er ſich taufen laͤßt. Ich weiß ein Beyſpiel, daß im ſiebenjaͤhrigen Krie- ge die Frau eines juͤdiſchen Admodiateurs ſogar an die Tafel eines groſſen Prinzen gezogen wurde, wo- ruͤber die adelichen Damen zwar ſcheel ſahen, aber eine chriſtliche Kaufmannsfrau gewiß nicht gelitten haͤtten. Es ſind ja auch Juden vom Kayſer nobili- tirt worden, und unter K. Carl VII. hatte ſogar ein Jude das Jus nobilitandi, indem er Adelsbriefe ver- kaufte, wo der Nahme vom Kaͤufer ausgefuͤllt wur- de. Ich glaube alſo nicht, daß die Vornehmen und
Reichen
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ſich geſchickt zu ſeyn glaubt, die Kaufmannſchaft
oder bloße Kraͤmerey zu lernen, oder auch ohne
foͤrmliche Erlernung zu treiben, der wird gewiß kein
Handwerk lernen, ſondern bey dieſem Stande ſich
uͤber die anſehnlichſten Staͤnde der Menſchen hin-
ausdenken, und dieſer Stand der Kaufmannſchaft
iſt auch der Stand der Juden. Den uͤbrigen Druck
fuͤhlen ſie nicht, weil ſie ihn ſo ſehr gewohnt ſind,
ſehn ihn vielmehr, wie die Herrnhuter und Prote-
ſtanten in Frankreich als ein ehrenhaftes Maͤrtyr-
thum an. Sogar genießt der Jude in buͤrgerlichen
ſichtbarlichen Verhaͤltniſſen groſſe Vorzuͤge vor den
Chriſten. Er iſt bey allen chriſtlichen Religionsver-
wandten gelitten, hat Zutritt an Hoͤfen und in Ca-
binetten, den er verliert, ſobald er ſich taufen laͤßt.
Ich weiß ein Beyſpiel, daß im ſiebenjaͤhrigen Krie-
ge die Frau eines juͤdiſchen Admodiateurs ſogar an
die Tafel eines groſſen Prinzen gezogen wurde, wo-
ruͤber die adelichen Damen zwar ſcheel ſahen, aber
eine chriſtliche Kaufmannsfrau gewiß nicht gelitten
haͤtten. Es ſind ja auch Juden vom Kayſer nobili-
tirt worden, und unter K. Carl VII. hatte ſogar ein
Jude das Jus nobilitandi, indem er Adelsbriefe ver-
kaufte, wo der Nahme vom Kaͤufer ausgefuͤllt wur-
de. Ich glaube alſo nicht, daß die Vornehmen und
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/156>, abgerufen am 21.11.2024.
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