Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

stens auf dem Lande, schon immer dichter zusammen
drängen, und täglich fleißiger werden müssen, wenn
sie bleiben und leben wollen. Diese Bemerkung kann
ich wenigstens in den Preußischen Staaten voraus
setzen, und dafür sey die Weisheit Friedrichs heut
an seinem Geburtstage (den 24. Jan.) gesegnet!
Warum wollen wir uns denn mehr Gäste aufladen,
als Wir beherbergen können? mehr Mäuler, als
Wir zu ernähren im Stande sind? warum unsere
Söhne, wenn sie ihr Blut für's Vaterland und der
ihnen gleichbegünstigte Jude nur Geld geben sollen,
zwingen in alle Welt zu gehen, um dem Juden eine
Wohnung leer zu machen? Was haben uns unsere
bisherigen Bürger gethan, daß wir ihnen das Brodt
halb nehmen und Leuten geben wollen, die es unter
der Bedingung nicht verlangen? Warum sollen die
Juden es wagen, sich auf Aemter und Ehrenstellen
zuzubereiten, so lange wir noch Candidaten in Men-
ge haben, die lange gnug auf Versorgung warteten?
Warum wollen wir den Geist der Juden mit Ge-
walt umschaffen, um sie in Stellen einzuschieben,
für die wir schon Leute gnug mit dem erforderlichen
Geiste haben? Sollen wir ungerecht gegen tausend
seyn, um zehnen Gerechtigkeit wiederfahren zu
lassen?

Also

ſtens auf dem Lande, ſchon immer dichter zuſammen
draͤngen, und taͤglich fleißiger werden muͤſſen, wenn
ſie bleiben und leben wollen. Dieſe Bemerkung kann
ich wenigſtens in den Preußiſchen Staaten voraus
ſetzen, und dafuͤr ſey die Weisheit Friedrichs heut
an ſeinem Geburtstage (den 24. Jan.) geſegnet!
Warum wollen wir uns denn mehr Gaͤſte aufladen,
als Wir beherbergen koͤnnen? mehr Maͤuler, als
Wir zu ernaͤhren im Stande ſind? warum unſere
Soͤhne, wenn ſie ihr Blut fuͤr’s Vaterland und der
ihnen gleichbeguͤnſtigte Jude nur Geld geben ſollen,
zwingen in alle Welt zu gehen, um dem Juden eine
Wohnung leer zu machen? Was haben uns unſere
bisherigen Buͤrger gethan, daß wir ihnen das Brodt
halb nehmen und Leuten geben wollen, die es unter
der Bedingung nicht verlangen? Warum ſollen die
Juden es wagen, ſich auf Aemter und Ehrenſtellen
zuzubereiten, ſo lange wir noch Candidaten in Men-
ge haben, die lange gnug auf Verſorgung warteten?
Warum wollen wir den Geiſt der Juden mit Ge-
walt umſchaffen, um ſie in Stellen einzuſchieben,
fuͤr die wir ſchon Leute gnug mit dem erforderlichen
Geiſte haben? Sollen wir ungerecht gegen tauſend
ſeyn, um zehnen Gerechtigkeit wiederfahren zu
laſſen?

Alſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0115" n="107"/>
&#x017F;tens auf dem Lande, &#x017F;chon immer dichter zu&#x017F;ammen<lb/>
dra&#x0364;ngen, und ta&#x0364;glich fleißiger werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wenn<lb/>
&#x017F;ie bleiben und leben wollen. Die&#x017F;e Bemerkung kann<lb/>
ich wenig&#x017F;tens in den Preußi&#x017F;chen Staaten voraus<lb/>
&#x017F;etzen, und dafu&#x0364;r &#x017F;ey die Weisheit <hi rendition="#fr">Friedrichs</hi> heut<lb/>
an &#x017F;einem Geburtstage (den 24. Jan.) ge&#x017F;egnet!<lb/>
Warum wollen wir uns denn mehr Ga&#x0364;&#x017F;te aufladen,<lb/>
als Wir beherbergen ko&#x0364;nnen? mehr Ma&#x0364;uler, als<lb/>
Wir zu erna&#x0364;hren im Stande &#x017F;ind? warum un&#x017F;ere<lb/>
So&#x0364;hne, wenn &#x017F;ie ihr Blut fu&#x0364;r&#x2019;s Vaterland und der<lb/>
ihnen gleichbegu&#x0364;n&#x017F;tigte Jude nur Geld geben &#x017F;ollen,<lb/>
zwingen in alle Welt zu gehen, um dem Juden eine<lb/>
Wohnung leer zu machen? Was haben uns un&#x017F;ere<lb/>
bisherigen Bu&#x0364;rger gethan, daß wir ihnen das Brodt<lb/>
halb nehmen und Leuten geben wollen, die es unter<lb/>
der Bedingung nicht verlangen? Warum &#x017F;ollen die<lb/>
Juden es wagen, &#x017F;ich auf Aemter und Ehren&#x017F;tellen<lb/>
zuzubereiten, &#x017F;o lange wir noch Candidaten in Men-<lb/>
ge haben, die lange gnug auf Ver&#x017F;orgung warteten?<lb/>
Warum wollen wir den Gei&#x017F;t der Juden mit Ge-<lb/>
walt um&#x017F;chaffen, um &#x017F;ie in Stellen einzu&#x017F;chieben,<lb/>
fu&#x0364;r die wir &#x017F;chon Leute gnug mit dem erforderlichen<lb/>
Gei&#x017F;te haben? Sollen wir ungerecht gegen tau&#x017F;end<lb/>
&#x017F;eyn, um zehnen Gerechtigkeit wiederfahren zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Al&#x017F;o</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0115] ſtens auf dem Lande, ſchon immer dichter zuſammen draͤngen, und taͤglich fleißiger werden muͤſſen, wenn ſie bleiben und leben wollen. Dieſe Bemerkung kann ich wenigſtens in den Preußiſchen Staaten voraus ſetzen, und dafuͤr ſey die Weisheit Friedrichs heut an ſeinem Geburtstage (den 24. Jan.) geſegnet! Warum wollen wir uns denn mehr Gaͤſte aufladen, als Wir beherbergen koͤnnen? mehr Maͤuler, als Wir zu ernaͤhren im Stande ſind? warum unſere Soͤhne, wenn ſie ihr Blut fuͤr’s Vaterland und der ihnen gleichbeguͤnſtigte Jude nur Geld geben ſollen, zwingen in alle Welt zu gehen, um dem Juden eine Wohnung leer zu machen? Was haben uns unſere bisherigen Buͤrger gethan, daß wir ihnen das Brodt halb nehmen und Leuten geben wollen, die es unter der Bedingung nicht verlangen? Warum ſollen die Juden es wagen, ſich auf Aemter und Ehrenſtellen zuzubereiten, ſo lange wir noch Candidaten in Men- ge haben, die lange gnug auf Verſorgung warteten? Warum wollen wir den Geiſt der Juden mit Ge- walt umſchaffen, um ſie in Stellen einzuſchieben, fuͤr die wir ſchon Leute gnug mit dem erforderlichen Geiſte haben? Sollen wir ungerecht gegen tauſend ſeyn, um zehnen Gerechtigkeit wiederfahren zu laſſen? Alſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/115
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/115>, abgerufen am 04.05.2024.